Linke Mehrheiten haben noch jedes Mal zu einem Desaster geführt, wenn sie die Politik des Gegners betrieben und die Wähler für Idioten hielten. - Keine Warnung an die neue deutsche Regierung, sondern eine Abrechnung, die Abrechnung von Pierre Bourdieu mit der französischen Linksregierung, veröffentlicht am 8. April dieses Jahres. Kaum ein Jahr nach dem Regierungsantritt der Linkskoalition unter Lionel Jospin plädiert der renommierte und international bekannte Soziologe, Professor am College de France und Studiendirektor an der Hochschule für Sozialwissenschaften EHESS, in "Le Monde" für eine "linke Linke" und liest in harschen Worten dem "Quartett" Jospin, Chevenement (PS), Hue (PCF) und Voynet (Grüne) die Leviten. Die linkspluralistische Regierung lasse sich inzwischen von der neoliberalen Troika Blair-Jospin-Schröder animieren, betreibe eine kurzsichtige Tagespolitik und zeige sich blind und taub angesichts der Nöte der "Volksklassen". Wirkliche Antworten auf die schleichende oder offene Faschisierung des Landes könnten nur von den neuen sozialen Bewegungen kommen, die sich seit den Streiks vom Dezember 1995 gebildet haben.
In der Dezember-Ausgabe ergründet Thomas Assheuer, was die völkische Rechte mit der Silicon-Valley-Elite verbindet, und erkennt in Ernst Jünger, einem Vordenker des historischen Faschismus, auch einen Stichwortgeber der Cyberlibertären. Ob in den USA, Russland, China oder Europa: Überall bilden Antifeminismus, Queerphobie und die selektive Geburtenförderung wichtige Bausteine faschistischer Biopolitik, argumentiert Christa Wichterich. Friederike Otto wiederum erläutert, warum wir trotz der schwachen Ergebnisse der UN-Klimakonferenz nicht in Ohnmacht verfallen dürfen und die Narrative des fossilistischen Kolonialismus herausfordern müssen. Hannes Einsporn warnt angesichts weltweit hoher Flüchtlingszahlen und immer restriktiverer Migrationspolitiken vor einem Kollaps des globalen Flüchtlingsschutzes. Und die Sozialwissenschaftler Tim Engartner und Daniel von Orloff zeigen mit Blick auf Großbritannien und die Schweiz, wie wir dem Bahndesaster entkommen könnten – nämlich mit einer gemeinwohlorientierten Bürgerbahn.