Die Auseinandersetzung um Martin Walsers Friedenspreisrede vom Oktober vergangenen Jahres hat einen merkwürdigen Verlauf genommen. Walsers Provokationen, obgleich vor aller Augen unter die kulturelle und politische Elite der Republik geworfen, zündeten erst, nachdem Ignatz Bubis, Vorsitzender des Zentralrats der Juden in Deutschland, sie aufgenommen hatte. Die anschließende mehrmonatige Äußerungsbedürfniswoge schlug eher über Bubis als über Walser zusammen, der währenddessen als Ikone eines neuen deutschen Freiheitskampfes in überfüllten Räumen aus seinem autobiographischen Roman "Ein springender Brunnen" las. Was macht die Attraktivität von Walsers Angebot aus? Warum konnte die Auseinandersetzung um Thematisierung oder Dethematisierung der deutschen Verbrechen unter nationalsozialistischer Herrschaft zum ersten Mal als eine zwischen der deutschen und der jüdischen Sicht der Dinge erscheinen? Schon diese Frage zeigt, daß die allmählich Beruhigung der Gemüter keineswegs einer Entschärfung der Problemlage entspricht. Gerd Steffens rückt Walsers hochgelobten Roman in den Zusammenhang dieser Debatte und fragt nach den Entsprechungen der literarischen und der politisch-moralischen Offerte, die Walser seinem Publikum unterbreitet. - D. Red.
Martin Walser ist auch im Alter noch ein echtes Kind des Glücks.