Ausgabe Januar 1999

Charlie im KZ

Das Kino hatte schon immer die Angewohnheit, Sachen zu zeigen, die im realen Leben nicht gehen, und wir hatten schon immer eine große Freude daran, uns für ein paar Stunden glauben machen zu lassen, daß sie doch gehen. Es sei unmöglich, so ein allgemeiner Konsens, den Holocaust künstlerisch darzustellen, und doch wurde es immer wieder versucht. Letztlich läßt sich wahrscheinlich die Legitimität solcher Produkte nicht aus einem abstrakten Authentizitätsideal ableiten, und es hat sich als Kriterium eher die Frage nach der Nützlichkeit oder Schädlichkeit bewährt. Das aber bringt es mit sich, daß nur vorübergehende Urteile möglich sind, daß die Zulässigkeit einer Holocaust-Darstellung nicht nur von ihren künstlerischen Qualitäten und ihrer ideologischen Korrektheit abhängt, sondern auch vom aktuellen Zustand der Öffentlichkeit, in die sie gelangt und in der sie wirken soll.

Roberto Benignis Film Das Leben ist schön ist künstlerisch perfekt und ideologisch korrekt: Guido, ein exzentrischer junger Mann, den wir schon aus vielen Filmen kennen, erobert sich mit viel Witz und unterhaltsamen Slapstick-Nummern das Mädchen Dora.

Januar 1999

Sie haben etwa 26% des Textes gelesen. Um die verbleibenden 74% zu lesen, haben Sie die folgenden Möglichkeiten:

Artikel kaufen (1€)
Digitalausgabe kaufen (10€)
Anmelden

Aktuelle Ausgabe November 2025

In der November-Ausgabe ergründen Carolin Amlinger und Oliver Nachtwey die Anziehungskraft des demokratischen Faschismus. Frank Biess legt die historischen Vorläufer von Trumps autoritärer Wende offen – ebenso wie die Lebenslügen der Bundesrepublik. Daniel Ziblatt zieht Lehren aus der Weimarer Republik für den Umgang mit den Autokraten von heute. Annette Dittert zeigt, wie Elon Musk und Nigel Farage die britische Demokratie aus den Angeln zu heben versuchen. Olga Bubich analysiert, wie Putin mit einer manipulierten Version der russischen Geschichte seinen Krieg in der Ukraine legitimiert. Ute Scheub plädiert für die Umverteilung von Wohlstand – gegen die Diktatur der Superreichen. Sonja Peteranderl erörtert, inwiefern sich Femizide und Gewalt gegen Frauen mit KI bekämpfen lassen. Und Benjamin von Brackel und Toralf Staud fragen, ob sich der Klimakollaps durch das Erreichen positiver Kipppunkte verhindern lässt.

Zur Ausgabe Probeabo

Weitere Artikel zum Thema

Immer jünger, immer rechter: Teenager mit Baseballschlägern

von David Begrich

Ihre Haare sind kurz, gescheitelt und streng gekämmt. Sie zeigen den White Power- oder gar den Hitlergruß. Ist der Aufschwung der rechtsextremen Jugendszene wirklich etwas Neues – oder nur eine Fortsetzung neonazistischer Gewalt?

Maskulin und libertär

von Stefan Matern, Sascha Ruppert-Karakas

Echte Männer sind rechts“ – das auf Social Media viral gegangene Video des AfD-Politikers Maximilian Krah ist mehr als nur ein lapidares Bekenntnis zu traditionellen Familien- und Geschlechterrollen. Es ist vielmehr der strategische Versuch, junge Menschen niedrigschwellig an AfD-Positionen heranzuführen. Im provokanten Politainmentstil bespielt die Partei auf den digitalen Plattformen unpolitisch anmutende Themen rund um die Probleme und persönlichen Unsicherheiten junger Männer.