Auch wenn sich die rotgrüne Bundesregierung für einige ihrer Reformvorhaben ein Jahr Bedenkzeit erbeten hat, wird man nicht so lange warten müssen, um festzustellen, daß es um das "Projekt", für das diese Farbenkombination einmal stand, nicht besonders gut bestellt ist. Der "soziale und ökologische Umbau" der Industriegesellschaft ist auf politischer Ebene in weite (?) Ferne gerückt, ins Reich der Utopie - nachdem man ihn zu Oppositionszeiten in mancherlei Hinsicht erstaunlich weit durchdefiniert und konkretisiert, damit unterstrichen hatte, daß es sich gerade nicht um ein realitätsfremdes Vorhaben verbohrter Weltverbesserer handelt. Und doch können die Elemente dieses Alternativprogramms nun die offenbar noch viel strengeren "Realitätskriterien" des Regierungshandelns nicht erfallen. Derweil erwecken merkwürdig aufgeblähte Diskussionen um bislang wenig substanzhaltige Alternativen la "Dritter Weg", aber auch ein mehr oder weniger beharrliches Schweigen zum Thema Arbeitslosigkeit den Eindruck, Realitätstüchtigkeit und Realitätssucht in Kanzleramt und Ministerien hätten unsere derzeit führenden Politiker der gesellschaftlichen Wirklichkeit eher entfremdet als nahe gebracht ... Andreas Kleinsteuber war unter anderem Mitarbeiter beim Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI), Fraktionsreferent bei Bündnis 90/Die Grünen im Bundestag, Campaigner bei Greenpeace und Moderator im Wettbewerb Regionen der Zukunft.
In der November-Ausgabe ergründen Carolin Amlinger und Oliver Nachtwey die Anziehungskraft des demokratischen Faschismus. Frank Biess legt die historischen Vorläufer von Trumps autoritärer Wende offen – ebenso wie die Lebenslügen der Bundesrepublik. Daniel Ziblatt zieht Lehren aus der Weimarer Republik für den Umgang mit den Autokraten von heute. Annette Dittert zeigt, wie Elon Musk und Nigel Farage die britische Demokratie aus den Angeln zu heben versuchen. Olga Bubich analysiert, wie Putin mit einer manipulierten Version der russischen Geschichte seinen Krieg in der Ukraine legitimiert. Ute Scheub plädiert für die Umverteilung von Wohlstand – gegen die Diktatur der Superreichen. Sonja Peteranderl erörtert, inwiefern sich Femizide und Gewalt gegen Frauen mit KI bekämpfen lassen. Und Benjamin von Brackel und Toralf Staud fragen, ob sich der Klimakollaps durch das Erreichen positiver Kipppunkte verhindern lässt.