Ausgabe Juni 1999

Habermas - Zur Rezeption von Theorie

Die Fehlrezeption großer Theorien scheint den Charakter des Zwangsläufigen anzunehmen. Was Jürgen Habermas' Philosophie angeht, so ist bereits an manche wissenschaftliche Rezension in einschlägigen Fachzeitschriften die Frage zu richten, ob der Rezensent den Autor eigentlich hatte verstehen wollen oder nur bemüht war, seine versammelten Vorverurteilungen zu Papier zu bringen. Noch verzeichneter erscheint das Bild dieser Philosophie in ansonsten anspruchsvollen Feuilletons und in Publikationen, die dem wissenschaftlich gebildeten Nichtphilosophen einen "Einblick" in Habermas' Philosophie und Gesellschaftstheorie anbieten. Auf diese letztere Perspektive sollen die folgenden Bemerkungen sich beschränken. Wenn hier Habermas' Philosophie gegen verbreitete Mißverständnisse (und böse Unterstellungen) verteidigt wird, so sei zur Präzisierung gesagt, daß im folgenden nicht konkrete Stellungnahmen zu aktuellen oder mittelfristigen politischen und gesellschaftspolitischen Fragen Gegenstand der Erörterung sind. Letztere wurden - übrigens nach Habermas' eigenem Verständnis 1) - nicht aus gerechtigkeitsexpertokratischer Perspektive vorgetragen, derart, daß aus den Höhen der diskurstheoretischen Moralphilosophie einzig richtige Normen für den öffentlichen Vernunftgebrauch einer demokratischen Gesellschaft deduziert würden.

Juni 1999

Sie haben etwa 8% des Textes gelesen. Um die verbleibenden 92% zu lesen, haben Sie die folgenden Möglichkeiten:

Artikel kaufen (1€)
Digitalausgabe kaufen (10€)
Anmelden

Aktuelle Ausgabe September 2025

In der September-Ausgabe plädiert Lea Ypi für eine Migrationsdebatte im Sinne der Aufklärungsphilosophie. Cinzia Sciuto fordert, der zunehmenden Aushöhlung des Völkerrechts mit einer entschiedenen Verteidigung desselben zu begegnen – und nicht mit Resignation und falschem Realismus. Für Georg Diez markieren die Kriegsverbrechen in Gaza und die fehlenden Reaktionen darauf einen Epochenbruch; sie stünden für nicht weniger als den Verrat des Westens an der Humanität. Herfried Münkler analysiert, wie Kriege historisch endeten und Friedenszeiten begannen und was das mit Blick auf den Ukrainekrieg bedeutet. Simone Schlindwein deckt auf, wie Russland junge Afrikanerinnen mit falschen Versprechen für die Kriegswirtschaft rekrutiert. Warum die grüne Digitalisierung ein Mythos ist und was der KI-Boom den Globalen Süden kostet, erläutern Ingo Dachwitz und Sven Hilbig. Und Eva-Maria Klinkisch sowie Markus Rieger-Ladich zeigen auf, wie Long Covid-Betroffene von der Gesellschaft und dem Gesundheitssystem systematisch ignoriert werden – und was dagegen zu tun ist. 

Zur Ausgabe Probeabo

Weitere Artikel zum Thema

Frieden durch Recht

von Cinzia Sciuto

Am Anfang stand der 11. September 2001. Danach wurde die Lawine losgetreten: Ein langsamer, aber unaufhaltsamer Erdrutsch erfasste die internationale rechtliche und politische Ordnung. Ein Erdrutsch, der nach und nach die supranationalen Institutionen und die stets fragile, aber nie völlig illusorische Utopie einer friedlichen und auf dem Recht basierenden Weltordnung tief erschüttert hat