Die Fehlrezeption großer Theorien scheint den Charakter des Zwangsläufigen anzunehmen. Was Jürgen Habermas' Philosophie angeht, so ist bereits an manche wissenschaftliche Rezension in einschlägigen Fachzeitschriften die Frage zu richten, ob der Rezensent den Autor eigentlich hatte verstehen wollen oder nur bemüht war, seine versammelten Vorverurteilungen zu Papier zu bringen. Noch verzeichneter erscheint das Bild dieser Philosophie in ansonsten anspruchsvollen Feuilletons und in Publikationen, die dem wissenschaftlich gebildeten Nichtphilosophen einen "Einblick" in Habermas' Philosophie und Gesellschaftstheorie anbieten. Auf diese letztere Perspektive sollen die folgenden Bemerkungen sich beschränken. Wenn hier Habermas' Philosophie gegen verbreitete Mißverständnisse (und böse Unterstellungen) verteidigt wird, so sei zur Präzisierung gesagt, daß im folgenden nicht konkrete Stellungnahmen zu aktuellen oder mittelfristigen politischen und gesellschaftspolitischen Fragen Gegenstand der Erörterung sind. Letztere wurden - übrigens nach Habermas' eigenem Verständnis 1) - nicht aus gerechtigkeitsexpertokratischer Perspektive vorgetragen, derart, daß aus den Höhen der diskurstheoretischen Moralphilosophie einzig richtige Normen für den öffentlichen Vernunftgebrauch einer demokratischen Gesellschaft deduziert würden.
In der November-Ausgabe ergründen Carolin Amlinger und Oliver Nachtwey die Anziehungskraft des demokratischen Faschismus. Frank Biess legt die historischen Vorläufer von Trumps autoritärer Wende offen – ebenso wie die Lebenslügen der Bundesrepublik. Daniel Ziblatt zieht Lehren aus der Weimarer Republik für den Umgang mit den Autokraten von heute. Annette Dittert zeigt, wie Elon Musk und Nigel Farage die britische Demokratie aus den Angeln zu heben versuchen. Olga Bubich analysiert, wie Putin mit einer manipulierten Version der russischen Geschichte seinen Krieg in der Ukraine legitimiert. Ute Scheub plädiert für die Umverteilung von Wohlstand – gegen die Diktatur der Superreichen. Sonja Peteranderl erörtert, inwiefern sich Femizide und Gewalt gegen Frauen mit KI bekämpfen lassen. Und Benjamin von Brackel und Toralf Staud fragen, ob sich der Klimakollaps durch das Erreichen positiver Kipppunkte verhindern lässt.