Seit Anfang der 80er Jahre erleben wir - dies sei in aller Kürze rekapituliert - eine permanente Erweiterung von Polizeibefugnissen, eine Expansion der Geheimdienste und immer wieder einschneidende Strafrechtsverschärfungen - betrieben von der Regierung Kohl, streckenweise aber angerichtet und serviert von einer faktischen Großen Koalition der "Inneren Sicherheit" unter Einschluß der SPD. Legalisiert hat man u.a. nachrichtendienstliche Ermittlungsmethoden für die Polizei - verdeckte Ermittler, präventive Lausch- und Spähangriffe, zuletzt den großen Lauschangriff zur Strafverfolgung. Zudem wurden verdachtsunabhängige Kontrollen zugelassen, Strafverfahren beschleunigt, die Hauptverhandlungshaft eingeführt, das Grundrecht auf Asyl ausgehöhlt, Abschiebungen erleichtert. In den Städten wurden dichte "Sicherheitsnetze" geknüpft, unter denen präventive Intoleranz herrscht: Mithilfe von Bundesgrenzschutz, Platzverweisen, Aufenthaltsverboten und Vorbeugehaft läßt man Angehörige störender sozialer Minderheiten aus Bahnhöfen und Konsummeilen vertreiben - eine kollektive Verdrängung von Armut und sichtbarem Elend mit Polizeigewalt statt einer Lösung der zugrunde liegenden sozialen Problemlagen und Konflikte.
In der Oktober-Ausgabe wertet Seyla Benhabib das ungehemmte Agieren der israelischen Regierung in Gaza als Ausdruck einer neuen Ära der Straflosigkeit. Eva Illouz ergründet, warum ein Teil der progressiven Linken auf das Hamas-Massaker mit Gleichgültigkeit reagiert hat. Wolfgang Kraushaar analysiert, wie sich Gaza in eine derart mörderische Sackgasse verwandeln konnte und die Israelsolidarität hierzulande vielerorts ihren Kompass verloren hat. Anna Jikhareva erklärt, warum die Mehrheit der Ukrainer trotz dreieinhalb Jahren Vollinvasion nicht zur Kapitulation bereit ist. Jan Eijking fordert im 80. Jubiläumsjahr der Vereinten Nationen mutige Reformen zu deren Stärkung – gegen den drohenden Bedeutungsverlust. Bernd Greiner spürt den Ursprüngen des Trumpismus nach und warnt vor dessen Fortbestehen, auch ohne Trump. Andreas Fisahn sieht in den USA einen „Vampirkapitalismus“ heraufziehen. Und Johannes Geck zeigt, wie rechte und islamistische Rapper Menschenverachtung konsumierbar machen.