Ausgabe Mai 1999

Bündnis für Arbeit oder Die Versuchung, Politik zu delegieren

Je tiefer die Ohnmacht, desto inbrünstiger die Heilserwartung. Anders läßt sich die Überhöhung des Bündnisses für Arbeit kaum erklären. Seit Jahren zeigt sich die Politik außerstande, die Arbeitslosigkeit wirksam zu bekämpfen. Die frühere Regierungskoalition wollte es nicht, da sie auf den Markt setzte. Die rot-grüne Koalition zögert angesichts vorgeblich enger Grenzen des politischen Handelns - sieht man vom begrüßenswerten Sofort-Programm für jugendliche Erwerbslose einmal ab. So richten sich alle Hoffnungen auf das Bündnis für Arbeit. Hier ist der Ort des Konsenses, der Ort, an dem sich die vermeintlich mächtigen Männer von Wirtschaft und Politik treffen, die allein sagen können, wo es langgeht. Eine polit-ökonomische Heilige Dreifaltigkeit gleichsam.

Der Glaube an die wundersame Kraft des Bündnisses ist so alt wie der ursprüngliche Vorschlag des IG Metall-Vorsitzenden Klaus Zwickel. Als er im Herbst 1995 ein Bündnis für Arbeit vorschlug, stieß er auf unerwartet positive Resonanz. Seitdem vergeht kaum eine Woche, in der nicht über den Abschluß betrieblicher, regionaler und sektoraler Pakte für Arbeit und Ausbildung berichtet wird. Nimmt man allein die Verlautbarungen, sollte man meinen, wir wären auf einem guten und erfolgreichen Weg. Doch der Eindruck täuscht.

Mai 1999

Sie haben etwa 8% des Textes gelesen. Um die verbleibenden 92% zu lesen, haben Sie die folgenden Möglichkeiten:

Artikel kaufen (1€)
Digitalausgabe kaufen (10€)
Anmelden

Aktuelle Ausgabe November 2025

In der November-Ausgabe ergründen Carolin Amlinger und Oliver Nachtwey die Anziehungskraft des demokratischen Faschismus. Frank Biess legt die historischen Vorläufer von Trumps autoritärer Wende offen – ebenso wie die Lebenslügen der Bundesrepublik. Daniel Ziblatt zieht Lehren aus der Weimarer Republik für den Umgang mit den Autokraten von heute. Annette Dittert zeigt, wie Elon Musk und Nigel Farage die britische Demokratie aus den Angeln zu heben versuchen. Olga Bubich analysiert, wie Putin mit einer manipulierten Version der russischen Geschichte seinen Krieg in der Ukraine legitimiert. Ute Scheub plädiert für die Umverteilung von Wohlstand – gegen die Diktatur der Superreichen. Sonja Peteranderl erörtert, inwiefern sich Femizide und Gewalt gegen Frauen mit KI bekämpfen lassen. Und Benjamin von Brackel und Toralf Staud fragen, ob sich der Klimakollaps durch das Erreichen positiver Kipppunkte verhindern lässt.

Zur Ausgabe Probeabo

Weitere Artikel zum Thema

Flucht vor der Verantwortung: Lieferkettengesetze am Ende?

von Merle Groneweg

Der 11. September erinnert nicht nur an den Einsturz des World Trade Centers in New York, sondern auch an eine der schwersten Katastrophen in der Textilindustrie: den Brand in der Fabrik Ali Enterprises in Karatschi, Pakistan.

Ohne EU-Mindestlohn kein soziales Europa

von Roland Erne

Nach Jahren antisozialer Politik infolge der Finanzkrise von 2008 standen soziale Fragen in der vergangenen Legislatur der EU wieder weiter oben auf der Agenda. Zwischen 2022 und 2024 verabschiedeten das EU-Parlament und der Rat seit langem wieder mehrere soziale EU-Gesetze, darunter die Richtlinie über „angemessene Mindestlöhne in der Europäischen Union“.

Drei Millionen ohne Abschluss: Was tun?

von Maike Rademaker

Die Zahl war lediglich einen Tag lang einige Schlagzeilen wert: Rund 2,9 Millionen junge Menschen zwischen 20 und 34 Jahren hierzulande haben keinen Berufsabschluss. Maike Rademaker analysiert Gründe und Lösungsansätze.