Ein "Blätter"-Gespräch mit Micha Brumlik
"Blätter": Ihr letzter "Blätter"-Kommentar (Ernstfall Grün, Heft 6/1999) schloß mit zwei provozierenden Thesen: 1. Linke Politik sei in der Bundesrepublik bis auf weiteres nicht möglich. 2. Alle, die am Prinzip linker Politik interessiert seien, hätten jetzt viel von einer sonst knappen Ressource, nämlich Zeit, und täten gut daran, die "gewiß veränderungsbedürftigen" Verhältnisse zunächst einmal besser zu verstehen. Zwei Eingangsfragen: 1. Warum ist linke Politik nicht, nicht mehr oder noch nicht möglich? 2. Ist es möglicherweise Politik überhaupt - nicht nur linke - die nicht mehr stattfindet, jedenfalls nicht im klassischen Sinne?
Micha Brumlik: Es wird ja nun von vielen Politikwissenschaftlern erwogen, daß eine klassische innerstaatliche Form von Politik, die auf der Basis eines demokratisch legitimierten Mehrheitswillens effektiv bindende Entscheidungen in Form von Gesetzen durchsetzt, nicht mehr möglich ist. Die Begründungen sind unterschiedlich. Einmal, daß die Elemente und Kräfte, die man durch politisches Handeln und kollektiv bindende Entscheidungen beeinflußen will, sich nicht mehr binden lassen, namentlich, wie es immer heißt, die Wirtschaft im Zeitalter der Globalisierung. Zum anderen meinen wir durch die politische Soziologie zu wissen, daß das politische System vor allem sich selbst bewegt.