Jan Ross hat jüngst in der "Zeit" (29.8.1999) Schröders Wirkung einigermaßen beeindruckt als mutiges Aufräumprogramm beschrieben und dem Kanzler eine erstaunliche destruktive Potenz attestiert. In der Tat: Das Wegmobben Oskar Lafontaines, die offene Adoption des neoliberalen Glaubenssatzes, das Angebot schaffe sich schon seine Nachfrage, im Schröder/Blair-Papier, und schließlich jenes Sparpaket, das dem neuen Finanzminister von seinem streichwütigen Staatssekretär Oberhauser diktiert wurde - dies alles trifft eine zentrale Legimationsgrundlage der Sozialdemokratie und ihres Bundestagswahlangebots vom Herbst 1998: glaubwürdig für sozialen Ausgleich, soziale Gerechtigkeit und Solidarität in der Gesellschaft zu stehen. Die abrupte Preisgabe sozialdemokratischer Universalien und eine Politik "rechts der Union" (Peter Lösche), exekutiert vom langjährigen VW-Aufsichtsratspräsiden und kurzzeitigen SPD-Parteichef, wird von denen, an die sie sich richtet, insbesondere den Industrie- und Arbeitgeberverbandsvertretern, als mutiges Werk der "Zerstörung" sozialdemokratischer Traditionen (so auch Eckhard Fuhr, FAZ, 20.8.1999) gelobt.
In der Dezember-Ausgabe ergründet Thomas Assheuer, was die völkische Rechte mit der Silicon-Valley-Elite verbindet, und erkennt in Ernst Jünger, einem Vordenker des historischen Faschismus, auch einen Stichwortgeber der Cyberlibertären. Ob in den USA, Russland, China oder Europa: Überall bilden Antifeminismus, Queerphobie und die selektive Geburtenförderung wichtige Bausteine faschistischer Biopolitik, argumentiert Christa Wichterich. Friederike Otto wiederum erläutert, warum wir trotz der schwachen Ergebnisse der UN-Klimakonferenz nicht in Ohnmacht verfallen dürfen und die Narrative des fossilistischen Kolonialismus herausfordern müssen. Hannes Einsporn warnt angesichts weltweit hoher Flüchtlingszahlen und immer restriktiverer Migrationspolitiken vor einem Kollaps des globalen Flüchtlingsschutzes. Und die Sozialwissenschaftler Tim Engartner und Daniel von Orloff zeigen mit Blick auf Großbritannien und die Schweiz, wie wir dem Bahndesaster entkommen könnten – nämlich mit einer gemeinwohlorientierten Bürgerbahn.