Ausgabe Februar 2000

Zwangsarbeit und Wirtschaftswunder

Zusammenbruch und Trümmer waren in Westdeutschland stets der Code für den Mai 1945, die vielbeschworene "Stunde Null". Daß es dennoch zu einem raschen wirtschaftlichen Aufstieg kam, kann dann nur als Wunder, eben als "Wirtschaftswunder" verstanden werden. Dies ist der Gründungsmythos der westdeutschen Wirtschaftsgesellschaft. Die Tatsachen allerdings lassen nicht auf ein Wunder schließen. Denn 1948 gab es in Westdeutschland 14% mehr und um ein Drittel jüngere Fabrikationsanlagen als 1935, und daß dies trotz Rüstungsproduktion, Kriegszerstörungen, Demontagen und trotz der millionenfachen Einberufung zum Kriegsdienst und damit fehlender Arbeitskräfte der Fall sein konnte, erklärt sich vor allem durch die Ausbeutung der Zwangsarbeiter sowie durch die Zufuhr von Nahrungsmitteln, Rohstoffen und Industrieprodukten aus den besetzten Gebieten. Um den Zusammenhang zwischen der Zwangsarbeit im Krieg und dem späterem "Wirtschaftswunder" wirklich aufzuklären, muß als erstes untersucht werden, was 1945 in welchem Ausmaß zerstört war (die Fabriken, das Transportwesen, die Wohnungen).

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