Ausgabe Oktober 2000

Der Fall Österreich, Neue Folge

Von wiedererlangter Würde

Rechts, wo man schon immer die vermeintlichen Sanktionen als Sakrileg, als Kapitalvergehen gegen die "freie demokratische Selbstbestimmung" gegeißelt hatte 1), wurde der Österreich-Bericht von Martti Ahtisaari, Jochen Frowein und Marcelino Oreja nach Kräften bejubelt. In den mittleren Lagen las sich das etwas anders, lief aber auf dasselbe hinaus: Sicherlich sei das ganze gut gemeint gewesen. 2) Die allgemeine Erleichterung galt der schlußendlichen Empfehlung des "Weisenrates", und die fiel eindeutig aus: Die "Maßnahmen" der vierzehn EU-Mitgliedstaaten gegen die schwarzblaue Regierung Österreichs sollten, weil tendenziell kontraproduktiv, aufgehoben werden. 3) Also zelebrierte man das verdiente Ende einer "politische[n] Dummheit" 4), ohne es dabei zu belassen. Denn manche wähnten sich in ihrer Kritik an der geschichtspolitischen Selbstverortung Europas bestätigt und im Aufwind: "Die Holocaust-Konferenz von Stockholm Anfang dieses Jahres und die sich unmittelbar anschließenden Sanktionen der Europäischen Union gegen Österreich waren als Fanal einer globalisierten Erinnerungskultur zu verstehen, deren Kennzeichen nicht zuletzt die umstandslose Vereinnahmung durch die internationale Tagespolitik ist.

Sie haben etwa 6% des Textes gelesen. Um die verbleibenden 94% zu lesen, haben Sie die folgenden Möglichkeiten:

Artikel kaufen (1€)
Digitalausgabe kaufen (10€)
Anmelden

Aktuelle Ausgabe September 2025

In der September-Ausgabe plädiert Lea Ypi für eine Migrationsdebatte im Sinne der Aufklärungsphilosophie. Cinzia Sciuto fordert, der zunehmenden Aushöhlung des Völkerrechts mit einer entschiedenen Verteidigung desselben zu begegnen – und nicht mit Resignation und falschem Realismus. Für Georg Diez markieren die Kriegsverbrechen in Gaza und die fehlenden Reaktionen darauf einen Epochenbruch; sie stünden für nicht weniger als den Verrat des Westens an der Humanität. Herfried Münkler analysiert, wie Kriege historisch endeten und Friedenszeiten begannen und was das mit Blick auf den Ukrainekrieg bedeutet. Simone Schlindwein deckt auf, wie Russland junge Afrikanerinnen mit falschen Versprechen für die Kriegswirtschaft rekrutiert. Warum die grüne Digitalisierung ein Mythos ist und was der KI-Boom den Globalen Süden kostet, erläutern Ingo Dachwitz und Sven Hilbig. Und Eva-Maria Klinkisch sowie Markus Rieger-Ladich zeigen auf, wie Long Covid-Betroffene von der Gesellschaft und dem Gesundheitssystem systematisch ignoriert werden – und was dagegen zu tun ist. 

Zur Ausgabe Probeabo

Weitere Artikel zum Thema