Neuer Faschismus oder demokratischer Populismus?
Entsteht in Italien ein "neuer Faschismus", wie der Nobelpreisträger Dario Fo ("Le Monde", 11.1.2002) behauptet? Seit dem Amtsantritt der zweiten Regierung Silvio Berlusconis diskutieren Italiens Intellektuelle über Widerstandsmöglichkeiten ebenso sehr wie über die Einordnung des Phänomens Berlusconi. Gian Enrico Rusconi, einer der bekanntesten italienischen Politologen, Fellow des Berliner Wissenschaftskollegs und Mitherausgeber der Zeitschrift "Il Mulino", plädiert für eine vorsichtigere Bewertung des "Berlusconismo". - D. Red.
Der "Berlusconismus" ist kein Phänomen, das sich auf die Politik im konventionellen Sinne beschränken ließe; er berührt inzwischen die gesamte Kultur in Italien, nicht nur die politische im engeren Sinne. Nicht von ungefähr haben viele italienische Intellektuelle extrem negativ auf Silvio Berlusconis Einstieg in den Ring und seine politische Rhetorik reagiert. Es drängt sich allerdings die Frage auf, ob nicht einige Literaten oder Schriftsteller, die sich selbst als indignati, als empört, bezeichnen und von Journalisten ironisch die Apokalyptiker genannt werden, in einer Art Überreaktion im Wahlsieg Berlusconis eine viel schlimmere "ethische Katastrophe" gesehen haben, als sie es in Wirklichkeit ist.