Die Spekulationen über den möglichen Zusammenbruch der politischen und rechtlichen Ordnung in Pakistan, die zwischen Ende September und Mitte Oktober 2001 hohe Wellen schlugen, haben sich als weit überzogen erwiesen, wenngleich sie nicht völlig gegenstandslos waren. Denn erstens existiert tatsächlich eine sehr fragile innenpolitische Lage und zweitens sind die eigentlichen Probleme Pakistans mit dem Sturz der Taliban und der Einsetzung einer Interimsregierung in Kabul keineswegs vorbei. Dies legt nahe, zumindest einige Charakteristika der inneren Situation zu benennen und kurz zu umreißen, warum die afghanischen Ereignisse zu einer Zerreißprobe für das Regime General Musharrafs wurden.
Erstens sind die innenpolitischen Verhältnisse seit mehr als zehn Jahren durch eine ausgeprägte Instabilität gekennzeichnet. Keine zivile Regierung erreichte das Ende ihrer Wahlperiode. Amtsenthebungen durch Präsidentenerlaß oder wie 1999 durch einen Militärputsch waren die einzige Konstante. Eine Folge ist das Fehlen intakter und funktionierender wirtschaftlicher, politischer und rechtlicher Strukturen, die Beherrschung der Gesellschaft durch Korruption und Nepotismus sowie der drastische Legitimationsverlust nicht nur der politischen Parteien, sondern auch des staatlich-politischen Systems, was 2001 selbst das Militärregime zu spüren bekam.