Ausgabe Januar 2002

Warum sind wir reich? Warum sind die anderen arm?

Oder muß man die Frage ganz anders stellen?

Die Entwicklungsdebatte, meint ein Autor1, tritt in das neue Millennium „not with a gracious jump“, sondern ziemlich hinkend ein. Das Urteil, fürchte ich, trifft zu. Seit etwa 1955 bis Ende der 80er Jahre gab es die „Dritte Welt“ kämpferisch als geographische und konzeptuelle Wirklichkeit, glaubte man an die Machbarkeit von „Entwicklung“ (inzwischen längst ein für jede Definition zugängliches Amöbenwort) und sah man den Nationalstaat als hauptsächlichen Träger dieses Vorganges an. Heute dominiert das Thema der Zivilgesellschaft, verschwimmen die ehemaligen Abgrenzungen zwischen Industriegesellschaft und peripheren Ländern und wird „Entwicklung“ als ein diffuser Vorgang, der zwischen Netzen von Staaten, Institutionen, Banken, Konzernen, Mediengesellschaften, NGOs und dem Volk vor sich geht, eingestuft und kennt Gewinner und Verlierer.2 Von einer Dritten Welt will eigentlich kaum noch jemand reden. Und meine erstsemestrigen Hörer an der Universität Wien wissen nicht mehr, was Dependenztheorie heißt. Parallel zum globalisierten Neoliberalismus hat sich eine neu-alte Entwicklungsdebatte situiert, die ganz von vorne beginnt. Es schmeichelt, daß Europa dafür den Referenzpunkt abgibt, weil gerne vom „europäischen Wunder“ oder von „europäischer Sonderentwicklung“ geredet wird.

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