Ausgabe Juni 2002

Französischer Weg - adieu?

Le Pens Einzug in die zweite Runde der französischen Präsidentschaftswahlen war ohne Zweifel der beunruhigendste Ausdruck eines politischen Desasters, das trotz der massiven Proteste auf den Straßen und des deutlichen Anti-Le-Pen-Votums am 5. Mai in Frankreich noch lange nachwirken wird. Neben dem Erfolg der Neofaschisten machen jedoch andere, nicht viel weniger irritierende Ergebnisse dieser Wahl das Ausmaß und die Ursachen des "politischen Erdbebens" erst deutlich. Die höchste Wahlenthaltung in der Geschichte der Präsidentschaftswahlen, das schlechteste Ergebnis, das je ein Präsident im ersten Wahlgang erzielt hat, sowie der - abgesehen von den Grünen - beispiellose Absturz der Kandidaten der parlamentarischen Linken geben den Blick auf eine insgesamt tief verunsicherte Gesellschaft frei. Während die konservativ-liberale Rechte im Sog der antifaschistischen Mobilisierung durch zumeist linke Organisationen auf einen deutlichen Sieg im zweiten Wahlgang hoffen durfte, musste sich die gauche plurielle auf die Suche nach den Ursachen für dieses Debakel machen.

Nicht ohne eine gewisse Larmoyanz wurde sie zunächst überall dort fündig, wo sie ihre eigene politische Positionierung nicht überdenken muss: Ohne Frage ist Frankreich in einer "schlechten Verfassung". Das Institutionengefüge der V.

Sie haben etwa 9% des Textes gelesen. Um die verbleibenden 91% zu lesen, haben Sie die folgenden Möglichkeiten:

Artikel kaufen (1€)
Digitalausgabe kaufen (10€)
Anmelden

Aktuelle Ausgabe Dezember 2025

In der Dezember-Ausgabe ergründet Thomas Assheuer, was die völkische Rechte mit der Silicon-Valley-Elite verbindet, und erkennt in Ernst Jünger, einem Vordenker des historischen Faschismus, auch einen Stichwortgeber der Cyberlibertären. Ob in den USA, Russland, China oder Europa: Überall bilden Antifeminismus, Queerphobie und die selektive Geburtenförderung wichtige Bausteine faschistischer Biopolitik, argumentiert Christa Wichterich. Friederike Otto wiederum erläutert, warum wir trotz der schwachen Ergebnisse der UN-Klimakonferenz nicht in Ohnmacht verfallen dürfen und die Narrative des fossilistischen Kolonialismus herausfordern müssen. Hannes Einsporn warnt angesichts weltweit hoher Flüchtlingszahlen und immer restriktiverer Migrationspolitiken vor einem Kollaps des globalen Flüchtlingsschutzes. Und die Sozialwissenschaftler Tim Engartner und Daniel von Orloff zeigen mit Blick auf Großbritannien und die Schweiz, wie wir dem Bahndesaster entkommen könnten – nämlich mit einer gemeinwohlorientierten Bürgerbahn. 

Zur Ausgabe Probeabo

Weitere Artikel zum Thema

Vom Proletariat zum Pöbel: Das neue reaktionäre Subjekt

von Micha Brumlik

Gewiss, es waren keineswegs nur Mitglieder der US-amerikanischen weißen Arbeiterklasse, die Donald Trump an die Macht gebracht haben. Und doch waren es auch und nicht zuletzt eben jene Arbeiter und Arbeitslosen – und genau hier liegt das eigentliche Erschrecken für die Linke.