Auf der Titelseite einer der jüngsten Ausgaben von „The Weekly Standard“, einem einflussreichen neokonservativem Blatt in den USA, prangte der Slogan "We are the world". Das ist ernst gemeint. In Deutschland fühlt man sich da schnell an wilhelminische Sprüche vom „Platz an der Sonne“ erinnert. Die Assoziation ist falsch. Im einen Fall wirft eine Nation sich im Anspruch ihrer Ideologen zum verwirklichten Utopia der Weltgesellschaft auf, im anderen forderte ein nachwachsender Kraftprotz von seinen kolonialen Konkurrenten einen größeren Anteil ein. Neokonservatismus bedeutet in den USA etwas anderes als in Europa. Knüpft er dort an die Vorstellung der USA als der Keimform einer freien Weltgesellschaft an, so trauert er hier imperialer Großmacht nach. In transatlantischen Streitfragen darf man die unterschiedliche Geschichte nicht vergessen.
Robert Kagan bezeichnet einen Schnittpunkt zwischen den entgegengesetzten Traditionslinien (amerikanisch)- utopischer Weltinnenpolitik und (europäisch-) imperialer Großmachtpolitik. Als ob in Europa die Rolle der Macht vergessen worden sei, der sich die USA nolens volens annehmen müssten. Als ob die Europäer in ihrer angeblichen Machtvergessenheit Kantschem Idealismus frönten, während die Amerikaner wohl oder übel es mit dem Realismus eines Hobbes halten müssten.