Ausgabe November 2002

Implosion allierter Solidarität

Robert Kagan konstruiert einen prinzipiellen Unterschied zwischen den Vereinigten Staaten von Amerika und Europa in Struktur und Verhalten, den er auf eine Asymmetrie der Macht zurückführt. Natürlich sind die Europäer durch ihre klein- und mittelstaatliche Realität und ihre Geschichte spezifisch determiniert. Aber wie die US-Außenpolitik zwischen idealistischem Internationalismus und „realistischem“ Isolationismus oszillierte, gab es in der „europäischen Politik“ stets – auch nach 1945 – nicht nur sehr divergierende Positionen zwischen einzelnen Staaten, sondern auch Außenpolitikwechsel dieser Staaten im Laufe der Zeit. Das unterschiedliche Machtpotential ist nur einer der Faktoren, die das Verhalten von Staaten bestimmen.

In neuester Zeit hat vor allem dasEnde des Kalten Krieges Veränderungen in den internationalen Beziehungen bewirkt, die dasVerhältnis zwischen Europa und den USA tangieren. Sicherheitspolitisch sind die europäischen DemokratienvonderUS- Garantiewenigerabhängig. Die „Europäisierung“ Europas hat durch Probleme der Transformation im Osten und die Kriege im ehemaligen Jugoslawien einen zusätzlichen Schub erfahren. Die „Wiedervereinigung“ des Kontinents ist durch die schrittweise IntegrationdesOstensinderletztenDekade vergleichsweise schnell und erfolgreich vorangekommen.

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Aktuelle Ausgabe September 2025

In der September-Ausgabe plädiert Lea Ypi für eine Migrationsdebatte im Sinne der Aufklärungsphilosophie. Cinzia Sciuto fordert, der zunehmenden Aushöhlung des Völkerrechts mit einer entschiedenen Verteidigung desselben zu begegnen – und nicht mit Resignation und falschem Realismus. Für Georg Diez markieren die Kriegsverbrechen in Gaza und die fehlenden Reaktionen darauf einen Epochenbruch; sie stünden für nicht weniger als den Verrat des Westens an der Humanität. Herfried Münkler analysiert, wie Kriege historisch endeten und Friedenszeiten begannen und was das mit Blick auf den Ukrainekrieg bedeutet. Simone Schlindwein deckt auf, wie Russland junge Afrikanerinnen mit falschen Versprechen für die Kriegswirtschaft rekrutiert. Warum die grüne Digitalisierung ein Mythos ist und was der KI-Boom den Globalen Süden kostet, erläutern Ingo Dachwitz und Sven Hilbig. Und Eva-Maria Klinkisch sowie Markus Rieger-Ladich zeigen auf, wie Long Covid-Betroffene von der Gesellschaft und dem Gesundheitssystem systematisch ignoriert werden – und was dagegen zu tun ist. 

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