Ausgabe November 2002

Wechselseitige Rücksichtnahme

Robert Kagan zeichnet ein sorgenvolles Bild der europäisch-amerikanischen Beziehungen. Bei allen Überzeichnungen liefert er eine in vielerlei Hinsicht treffende Beschreibung der zunehmenden Verwerfungen. Doch dass es dennoch "mehr als ein Klischee" sei, dass Amerikaner und Europäer nach wie vor über "einen gemeinsamen, westlichen Wertebestand verfügen", und dass das, "was sie für die Menschheit erstreben", immer noch "weitgehend deckungsgleich" ist (S. 1206), mag man am Ende der Ausführungen Kagans kaum noch glauben. Denn in seiner Zwei-Sphären-Welt scheinen die Amerikaner dazu verdammt, auf ewig die Rolle des Torwächters an der Mauer zwischen Dschungel und Paradies auszufüllen. Ihnen obliege es, mit "den Saddams", aber auch den "Jiang Zemins fertig zu werden", während unter anderem die Europäer im Kantschen Paradies "davon profitieren" (S. 1204).

Besteht wirklich noch Einigkeit über die Welt, die Amerikaner und Europäer anstreben? Die Zweifel mehren sich, weil schon die Bilder der gegenwärtigen Welt zunehmend divergieren. Der Ist-Zustand wird in Washington ganz anders beschrieben als in Paris oder Berlin.

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In der Dezember-Ausgabe ergründet Thomas Assheuer, was die völkische Rechte mit der Silicon-Valley-Elite verbindet, und erkennt in Ernst Jünger, einem Vordenker des historischen Faschismus, auch einen Stichwortgeber der Cyberlibertären. Ob in den USA, Russland, China oder Europa: Überall bilden Antifeminismus, Queerphobie und die selektive Geburtenförderung wichtige Bausteine faschistischer Biopolitik, argumentiert Christa Wichterich. Friederike Otto wiederum erläutert, warum wir trotz der schwachen Ergebnisse der UN-Klimakonferenz nicht in Ohnmacht verfallen dürfen und die Narrative des fossilistischen Kolonialismus herausfordern müssen. Hannes Einsporn warnt angesichts weltweit hoher Flüchtlingszahlen und immer restriktiverer Migrationspolitiken vor einem Kollaps des globalen Flüchtlingsschutzes. Und die Sozialwissenschaftler Tim Engartner und Daniel von Orloff zeigen mit Blick auf Großbritannien und die Schweiz, wie wir dem Bahndesaster entkommen könnten – nämlich mit einer gemeinwohlorientierten Bürgerbahn. 

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