Ausgabe Februar 2003

Die Stunde der Extremisten

Noch vor nicht allzulanger Zeit hätte eine breite Öffentlichkeit jemanden wie Laurent Murawiec als politischen Extremisten betrachtet. Im vergangenen August sorgte der französische Philosophiedozent für Schlagzeilen, weil er auf einem internen Briefing des US-Verteidigungsministeriums empfahl, Saudi- Arabien wegen seiner Finanzierung des internationalen Terrorismus zum Feind zu erklären. Die USA sollten die saudischen Ölfelder besetzen, wenn Riad dessen Unterstützung nicht beende. Die "Washington Post" veröffentlichte Auszüge aus dem Statement,1 Präsident Bush musste sich in Riad entschuldigen. Murawiec verlor seinen Job bei der Rand Corporation, einem Think Tank des Verteidigungsministeriums - und wechselte zum angesehenen Hudson Institute.

Dass Murawiecs Äußerungen heute zwar nicht allgemein akzeptiert werden, wohl aber als salonfähig gelten, macht deutlich, wie sehr sich die Gewichte innerhalb der US-Außenpolitik verschoben haben. Innerhalb nur eines Jahres hat die US-Regierung die nach dem Zweiten Weltkrieg etablierte Politik von Abschreckung und Containment aufgegeben und durch das Recht auf Präventivkriege ersetzt, wie sie die Nationale Sicherheitsstrategie (NSS) 2002 festschreibt.2 Der mit Gewalt durchgesetzte Regimewechsel in anderen Staaten, früher Gegenstand geheimdienstlicher Aktivitäten, wird nun offen betrieben.

Sie haben etwa 10% des Textes gelesen. Um die verbleibenden 90% zu lesen, haben Sie die folgenden Möglichkeiten:

Artikel kaufen (1€)
Digitalausgabe kaufen (10€)
Anmelden

Aktuelle Ausgabe September 2025

In der September-Ausgabe plädiert Lea Ypi für eine Migrationsdebatte im Sinne der Aufklärungsphilosophie. Cinzia Sciuto fordert, der zunehmenden Aushöhlung des Völkerrechts mit einer entschiedenen Verteidigung desselben zu begegnen – und nicht mit Resignation und falschem Realismus. Für Georg Diez markieren die Kriegsverbrechen in Gaza und die fehlenden Reaktionen darauf einen Epochenbruch; sie stünden für nicht weniger als den Verrat des Westens an der Humanität. Herfried Münkler analysiert, wie Kriege historisch endeten und Friedenszeiten begannen und was das mit Blick auf den Ukrainekrieg bedeutet. Simone Schlindwein deckt auf, wie Russland junge Afrikanerinnen mit falschen Versprechen für die Kriegswirtschaft rekrutiert. Warum die grüne Digitalisierung ein Mythos ist und was der KI-Boom den Globalen Süden kostet, erläutern Ingo Dachwitz und Sven Hilbig. Und Eva-Maria Klinkisch sowie Markus Rieger-Ladich zeigen auf, wie Long Covid-Betroffene von der Gesellschaft und dem Gesundheitssystem systematisch ignoriert werden – und was dagegen zu tun ist. 

Zur Ausgabe Probeabo

Weitere Artikel zum Thema

Die neue Merz-Doktrin?

von Jürgen Trittin

Jahrzehntelang durfte in keiner Grundsatzrede eines deutschen Politikers in Regierungsverantwortung der Satz fehlen: „Wir setzen auf die Stärke des Rechts statt auf das Recht des Stärkeren.“ Doch das war einmal. Bundeskanzler Merz‘ lautstarkes Räsonieren über den Krieg Israels gegen den Iran markiert den Bruch mit dieser Tradition.

Eigennutz statt Solidarität

von Klaus Seitz

Etwa eine Milliarde Euro weniger als im vergangenen Jahr steht dem Bundesentwicklungsministerium 2025 zur Verfügung. Doch nicht nur der Spardruck macht der Entwicklungszusammenarbeit zu schaffen, auch die strategische Neuausrichtung gefährdet ihre Zukunftsfähigkeit.

Besser als ihr Ruf: Die europäische Afrikapolitik

von Roger Peltzer

Schon unter Angela Merkel hat der afrikanische Kontinent in der deutschen Bundesregierung große politische Aufmerksamkeit erfahren. Die Ampelregierung setzt diesen Kurs fort: Seit seinem Amtsantritt reiste Bundeskanzler Olaf Scholz jedes Jahr nach Afrika.