Lateinamerikas Wirtschaftsdaten, daran ist nicht zu rütteln, sind mager. Trotzdem kann man sie optimistisch interpretieren. Am obszönsten agiert diesbezüglich "Latin Finance", die sündteure, in Miami edierte Monatszeitschrift, die in Hochglanz die lateinamerikanischen Konjunkturzyklen beobachtet und ein wichtiges Börsenthermometer für die Region abgibt: Zwar werden von den Redakteuren immer wieder Stolpersteine wahrgenommen, aber die Vorausschau fällt unweigerlich glänzend aus. Optimismus strahlt beständig auch die Jahrestagung der Interamerikanischen Entwicklungsbank aus, auf deren sybaritischen Empfängen – zuletzt im März 2003 in Mailand – das Licht des lateinamerikanischen Kontinents glüht. Sogar der neueste "Bericht über die menschliche Entwicklung 2003" der UNDP, Anfang Juli in Wien vorgestellt, der nicht umhin kann, weltweit in 54 Ländern einen deutlichen Einkommensrückgang festzustellen, verpackt den Optimismus attraktiv in die Millenniums- Entwicklungsziele, wonach bis 2015 extreme Armut und Hunger auf dieser Welt zu beseitigen sind. Barbados, mit Platz 27 auf der Weltrangliste dieses Reports das erfolgreichste lateinamerikanische Land, schafft auf nationaler Ebene dieses Ziel fast schon heute (und liegt damit nicht weit hinter dem Platz 18 Deutschlands).
In der September-Ausgabe plädiert Lea Ypi für eine Migrationsdebatte im Sinne der Aufklärungsphilosophie. Cinzia Sciuto fordert, der zunehmenden Aushöhlung des Völkerrechts mit einer entschiedenen Verteidigung desselben zu begegnen – und nicht mit Resignation und falschem Realismus. Für Georg Diez markieren die Kriegsverbrechen in Gaza und die fehlenden Reaktionen darauf einen Epochenbruch; sie stünden für nicht weniger als den Verrat des Westens an der Humanität. Herfried Münkler analysiert, wie Kriege historisch endeten und Friedenszeiten begannen und was das mit Blick auf den Ukrainekrieg bedeutet. Simone Schlindwein deckt auf, wie Russland junge Afrikanerinnen mit falschen Versprechen für die Kriegswirtschaft rekrutiert. Warum die grüne Digitalisierung ein Mythos ist und was der KI-Boom den Globalen Süden kostet, erläutern Ingo Dachwitz und Sven Hilbig. Und Eva-Maria Klinkisch sowie Markus Rieger-Ladich zeigen auf, wie Long Covid-Betroffene von der Gesellschaft und dem Gesundheitssystem systematisch ignoriert werden – und was dagegen zu tun ist.