Ausgabe Dezember 2004

Grenzen der Betriebsratslogik

Erst Siemens, dann Daimler-Chrysler und KarstadtQuelle, jetzt VW und Opel: Mit dem Kostenhammer in der einen und der Entlassungssichel in der anderen Hand sind diese Unternehmen auf die Gewerkschaften zugestürmt und haben ihnen gut vier Milliarden Euro abgepresst. Die Manager haben nach ihren betriebswirtschaftlichen Leitsätzen richtig gehandelt. Das Entgegenkommen der Gewerkschaften kommt dagegen, gemessen an ihren eigenen Vorschlägen zum Ankurbeln der Wirtschaft, einem programmatischen Offenbarungseid gleich. Die eigene Nachfragerhetorik gerät ins Wanken. Dem Binnenmarkt werden peu à peu vier Milliarden Euro Kaufkraft entzogen.

Vom volkswirtschaftlichen Schaden, der durch diese Konsenspolitik angerichtet wird, einmal ganz abgesehen - die Wirkung nach innen, zu den Mitgliedern, ist desaströs. Die Botschaft lautet: Wir können wenig für euch tun; wenn ihr drin bleiben wollt, müsst ihr verzichten. Und nach draußen, an die, die zwangsweise auf die Null-Stunden- Woche gesetzt sind, lautet sie: Für euch können wir auch nichts tun; hier kommt keiner mehr rein. Weder bei der IG Metall noch bei der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) ist eine schlüssige Strategie erkennbar, wie die Erpressungsspirale durchbrochen werden kann. Dem Standortpoker sind beide offenbar hilflos ausgeliefert.

Sie haben etwa 10% des Textes gelesen. Um die verbleibenden 90% zu lesen, haben Sie die folgenden Möglichkeiten:

Artikel kaufen (1€)
Digitalausgabe kaufen (10€)
Anmelden

Aktuelle Ausgabe Oktober 2025

In der Oktober-Ausgabe wertet Seyla Benhabib das ungehemmte Agieren der israelischen Regierung in Gaza als Ausdruck einer neuen Ära der Straflosigkeit. Eva Illouz ergründet, warum ein Teil der progressiven Linken auf das Hamas-Massaker mit Gleichgültigkeit reagiert hat. Wolfgang Kraushaar analysiert, wie sich Gaza in eine derart mörderische Sackgasse verwandeln konnte und die Israelsolidarität hierzulande vielerorts ihren Kompass verloren hat. Anna Jikhareva erklärt, warum die Mehrheit der Ukrainer trotz dreieinhalb Jahren Vollinvasion nicht zur Kapitulation bereit ist. Jan Eijking fordert im 80. Jubiläumsjahr der Vereinten Nationen mutige Reformen zu deren Stärkung – gegen den drohenden Bedeutungsverlust. Bernd Greiner spürt den Ursprüngen des Trumpismus nach und warnt vor dessen Fortbestehen, auch ohne Trump. Andreas Fisahn sieht in den USA einen „Vampirkapitalismus“ heraufziehen. Und Johannes Geck zeigt, wie rechte und islamistische Rapper Menschenverachtung konsumierbar machen.

Zur Ausgabe Probeabo

Weitere Artikel zum Thema

Flucht vor der Verantwortung: Lieferkettengesetze am Ende?

von Merle Groneweg

Der 11. September erinnert nicht nur an den Einsturz des World Trade Centers in New York, sondern auch an eine der schwersten Katastrophen in der Textilindustrie: den Brand in der Fabrik Ali Enterprises in Karatschi, Pakistan.

Ohne EU-Mindestlohn kein soziales Europa

von Roland Erne

Nach Jahren antisozialer Politik infolge der Finanzkrise von 2008 standen soziale Fragen in der vergangenen Legislatur der EU wieder weiter oben auf der Agenda. Zwischen 2022 und 2024 verabschiedeten das EU-Parlament und der Rat seit langem wieder mehrere soziale EU-Gesetze, darunter die Richtlinie über „angemessene Mindestlöhne in der Europäischen Union“.

Drei Millionen ohne Abschluss: Was tun?

von Maike Rademaker

Die Zahl war lediglich einen Tag lang einige Schlagzeilen wert: Rund 2,9 Millionen junge Menschen zwischen 20 und 34 Jahren hierzulande haben keinen Berufsabschluss. Maike Rademaker analysiert Gründe und Lösungsansätze.