Ausgabe Mai 2004

Jenseits der SPD:

Die Sozialdemokratie nach Schröder

Die Sozialdemokraten blicken auf bittere Zeiten zurück. Nur kurz hielt das Triumphgefühl der letzten siegreichen Bundestagswahl an. Dann folgte ein demoskopischer und elektoraler Absturz in eine lang andauernde Depression, wie ihn die Wahlforschungsinstitute in der bundesdeutschen Parteiengeschichte noch nie gemessen hatten. In Niedersachsen und Hessen verlor die SPD im Januar 2003 jeweils über 10 Prozentpunkte. In Bayern, dem Bundesland mit der zweitgrößten Einwohnerzahl Deutschlands, landeten die Sozialdemokraten im September 2003 unter 20 Prozent, sodass man sie dort schwerlich noch als veritable Volkspartei bezeichnen kann.1 Bei den Bürgerschaftswahlen in Hamburg kam die Partei auf 30,5 Prozent der Stimmen – in einer Stadt, die sie lange nahezu monopolistisch beherrscht hatte. Schon im Kaiserreich hatte sie über 60 Prozent der Wähler hinter sich geschart, und noch in den 60er Jahren lagen die Sozialdemokraten in Hamburg stets in unmittelbarer Nähe der 60 Prozent. Der Fall der norddeutschen Hafenstadt wurde mithin zu einem neuerlichen Symbol dafür, wie sehr in den letzten zwei Jahrzehnten die alten, klassischen Hochburgen der deutschen Arbeiterbewegung erodiert, ja zusammengestürzt sind.

Nicht einmal die überlieferten sozialdemokratischen Menetekel gelten noch in diesen sozialdemokratischen Krisenmonaten der Jahre 2003/04. Fünfzig Jahre lang, seit den Zeiten Erich Ollenhauers, fürchteten die Sozialdemokraten nichts mehr als den 30-Prozent-Turm.

Sie haben etwa 6% des Textes gelesen. Um die verbleibenden 94% zu lesen, haben Sie die folgenden Möglichkeiten:

Artikel kaufen (1€)
Digitalausgabe kaufen (10€)
Anmelden

Aktuelle Ausgabe Dezember 2025

In der Dezember-Ausgabe ergründet Thomas Assheuer, was die völkische Rechte mit der Silicon-Valley-Elite verbindet, und erkennt in Ernst Jünger, einem Vordenker des historischen Faschismus, auch einen Stichwortgeber der Cyberlibertären. Ob in den USA, Russland, China oder Europa: Überall bilden Antifeminismus, Queerphobie und die selektive Geburtenförderung wichtige Bausteine faschistischer Biopolitik, argumentiert Christa Wichterich. Friederike Otto wiederum erläutert, warum wir trotz der schwachen Ergebnisse der UN-Klimakonferenz nicht in Ohnmacht verfallen dürfen und die Narrative des fossilistischen Kolonialismus herausfordern müssen. Hannes Einsporn warnt angesichts weltweit hoher Flüchtlingszahlen und immer restriktiverer Migrationspolitiken vor einem Kollaps des globalen Flüchtlingsschutzes. Und die Sozialwissenschaftler Tim Engartner und Daniel von Orloff zeigen mit Blick auf Großbritannien und die Schweiz, wie wir dem Bahndesaster entkommen könnten – nämlich mit einer gemeinwohlorientierten Bürgerbahn. 

Zur Ausgabe Probeabo

Weitere Artikel zum Thema

Flucht vor der Verantwortung: Lieferkettengesetze am Ende?

von Merle Groneweg

Der 11. September erinnert nicht nur an den Einsturz des World Trade Centers in New York, sondern auch an eine der schwersten Katastrophen in der Textilindustrie: den Brand in der Fabrik Ali Enterprises in Karatschi, Pakistan.

Ohne EU-Mindestlohn kein soziales Europa

von Roland Erne

Nach Jahren antisozialer Politik infolge der Finanzkrise von 2008 standen soziale Fragen in der vergangenen Legislatur der EU wieder weiter oben auf der Agenda. Zwischen 2022 und 2024 verabschiedeten das EU-Parlament und der Rat seit langem wieder mehrere soziale EU-Gesetze, darunter die Richtlinie über „angemessene Mindestlöhne in der Europäischen Union“.

Drei Millionen ohne Abschluss: Was tun?

von Maike Rademaker

Die Zahl war lediglich einen Tag lang einige Schlagzeilen wert: Rund 2,9 Millionen junge Menschen zwischen 20 und 34 Jahren hierzulande haben keinen Berufsabschluss. Maike Rademaker analysiert Gründe und Lösungsansätze.