Die Sozialdemokratie nach Schröder
Die Sozialdemokraten blicken auf bittere Zeiten zurück. Nur kurz hielt das Triumphgefühl der letzten siegreichen Bundestagswahl an. Dann folgte ein demoskopischer und elektoraler Absturz in eine lang andauernde Depression, wie ihn die Wahlforschungsinstitute in der bundesdeutschen Parteiengeschichte noch nie gemessen hatten. In Niedersachsen und Hessen verlor die SPD im Januar 2003 jeweils über 10 Prozentpunkte. In Bayern, dem Bundesland mit der zweitgrößten Einwohnerzahl Deutschlands, landeten die Sozialdemokraten im September 2003 unter 20 Prozent, sodass man sie dort schwerlich noch als veritable Volkspartei bezeichnen kann.1 Bei den Bürgerschaftswahlen in Hamburg kam die Partei auf 30,5 Prozent der Stimmen – in einer Stadt, die sie lange nahezu monopolistisch beherrscht hatte. Schon im Kaiserreich hatte sie über 60 Prozent der Wähler hinter sich geschart, und noch in den 60er Jahren lagen die Sozialdemokraten in Hamburg stets in unmittelbarer Nähe der 60 Prozent. Der Fall der norddeutschen Hafenstadt wurde mithin zu einem neuerlichen Symbol dafür, wie sehr in den letzten zwei Jahrzehnten die alten, klassischen Hochburgen der deutschen Arbeiterbewegung erodiert, ja zusammengestürzt sind.
Nicht einmal die überlieferten sozialdemokratischen Menetekel gelten noch in diesen sozialdemokratischen Krisenmonaten der Jahre 2003/04. Fünfzig Jahre lang, seit den Zeiten Erich Ollenhauers, fürchteten die Sozialdemokraten nichts mehr als den 30-Prozent-Turm.