Ausgabe April 2005

Beschlüsse der 4. Weltfrauenkonferenz auf dem Prüfstein

Erklärungen des Deutschen Frauenrates und politischer Stiftungen (Wortlaut)

Zum Internationalen Frauentag 2005 erinnern die Unterzeichnerinnen daran, dass vor zehn Jahren die 4. Weltfrauenkonferenz in Peking das umfassendste frauenpolitische Dokument verabschiedet hat: die Pekinger Aktionsplattform. Zugleich markierte diese Konferenz einen Höhepunkt der internationalen Frauenbewegungen, die ihren Einfluss auf die Politik der Vereinten Nationen seit der 1. Weltfrauenkonferenz 1975 in Mexiko City kontinuierlich ausbauen konnten.

2005 werden Frauen rund um den Globus ihren Regierungen und der Völkergemeinschaft den Spiegel vorhalten: Haben sie die Pekinger Plattform ernst genommen als Selbstverpflichtung, die Rechte von Frauen als Menschenrechte durchzusetzen und zu schützen? Haben sie das Ziel der Aktionsplattform erreicht, "alle Hindernisse zu beseitigen, die der aktiven Teilhabe von Frauen in allen Bereichen des öffentlichen und privaten Lebens entgegenstehen, indem ihre volle und gleichberechtigte Teilhabe an den wirtschaftlichen, kulturellen und politischen Entscheidungsprozessen sichergestellt wird"?

Die unterzeichnenden Organisationen und Stiftungen haben sich zu einem Bündnis zusammengeschlossen, um zehn Jahre nach Peking auch in Deutschland die Gleichstellung der Geschlechter verstärkt ins öffentliche Bewusstsein zu rücken. Der Prüfstein für Fort- und Rückschritte ist die Pekinger Aktionsplattform.

Die Aktionsplattform beschreibt umfassend die Benachteiligung von Frauen, setzt klare Ziele und gibt Regierungen sowie Institutionen konkrete Handlungsleitlinien in den folgenden Bereichen: Armut – Bildung – Gesundheit – Gewalt gegen Frauen – Bewaffnete Konflikte – Wirtschaft – Macht und Entscheidungspositionen – Institutionelle Frauenförderung – Menschenrechte der Frau – Medien – Umwelt – Mädchenrechte.

Die Frauenrechtskommission der Vereinten Nationen hat Anfang März 2005 die Umsetzung der Aktionsplattform geprüft und ausgewertet. Parallel zu den Regierungen haben Nichtregierungsorganisationen kritische Bilanz gezogen. Gegen den alarmierenden Trend, die unveräußerlichen und unteilbaren Menschenrechte der Frau erneut in Frage zu stellen, bekräftigten die Nichtregierungsorganisationen ihren entschiedenen Willen, die Umsetzung der Pekinger Plattform einzufordern. Zehn Jahre nach der 4. Weltfrauenkonferenz stehen der Durchsetzung von Frauenrechten neue Hindernisse entgegen, die 1995 noch nicht in ihrer heutigen Schärfe erkannt und angesprochen wurden. Dies sind vor allem der wachsende Militarismus, sodann religiös, ethnisch und nationalistisch begründete Fundamentalismen und die häufig negativen Auswirkungen der Marktliberalisierung auf Frauen.

In der Bundesrepublik werden die Bündnispartnerinnen 2005 in zahlreichen eigenen und gemeinsamen Veranstaltungen die aktuelle Lebenssituation von Frauen und ihre Zukunftsperspektiven zur Debatte stellen. Ihr besonderes Augenmerk gilt den Wechselwirkungen zwischen nationalen und internationalen Entwicklungen. Beispielhaft stehen hierfür drei Bereiche:

Die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen an der Erwerbsarbeit und ihre soziale Sicherung.Weltweit sind hier mehr Rück- als Fortschritte zu verzeichnen. Erwerbsarbeit sichert nur selten die Existenz und Altersversorgung von Frauen. An der ungleichen Bezahlung auch gleichwertiger Arbeit hat sich wenig geändert. Die massive Ausweitung von Teilzeitund Niedriglohnbeschäftigung verfestigt die Abhängigkeit der Zuverdienerin vom Haupternährer der so genannten Versorgungsgemeinschaft.

Gewalt gegen Frauen und Mädchen als schwere Verletzung ihrer Menschenrechte. Häusliche Gewalt, Frauenhandel und bewaffnete Konflikte bedrohen sie allein aufgrund ihres Geschlechts. In der Bundesrepublik wurden die Unterstützung und der Schutz der Opfer von häuslicher Gewalt verbessert, aber nach wie vor erlebt auch hier jede fünfte bis siebte Frau körperliche und sexuelle Übergriffe. Der weltweite Frauenhandel wächst stetig. Der Schutz der Opfer ist überall unzureichend. Maßnahmen, die sich auf eine bloße Abwehr von Zuwanderung beschränken, werden dem Menschenrechtsschutz nicht gerecht. In Kooperation mit den Herkunftsländern müssen sowohl die Ursachen von Frauenhandel bekämpft als auch die Sicherheit von Frauen erheblich verbessert werden. Auf internationaler Ebene fordert die UN-Resolution 1325 die Beteiligung von Frauen in entscheidenden Positionen sowohl an der Vermeidung und Lösung von bewaffneten Konflikten wie an der politischen und sozialen Neugestaltung in Nachkriegszeiten. Zahlreiche Fraueninitiativen haben konkrete Vorschläge für die Umsetzung der Resolution vorgelegt.

Der Einfluss ethnisch, religiös und nationalistisch begründeter Fundamentalismen auf nationale und internationale Politiken. Die Auswirkungen auf Frauen sind gravierend, da ihre Rechte unterschiedlich hergeleiteten Glaubenssätzen untergeordnet werden. Alle Fundamentalismen gründen auf einer patriarchalischen Geschlechterordnung und verweigern Frauen ihre Selbstbestimmungsrechte. Deshalb müssen fundamentalistische Strömungen auf europäischer und internationaler Ebene bekämpft werden. Unterstützung brauchen vor allem solche Frauengruppen und -initiativen, die in ihrem eigenen ethnischen, religiösen und nationalen Umfeld diesen Kampf oft unter großen Gefahren führen.

Wir rufen alle Initiativen, Gruppen, Vereine und Verbände auf, ihre Aktivitäten in diesem Jahr an der Pekinger Aktionsplattform, dem umfassendsten Konzept für die Gleichstellung von Frauen und Männern, zu orientieren. Weder in der Bundesrepublik, noch in der Europäischen Union, noch in außereuropäischen Ländern oder in internationalen Institutionen wurde die Aktionsplattform befriedigend umgesetzt.

Zehn Jahre nach Peking ist der richtige Zeitpunkt, mit neuer Energie und neuen Strategien auf allen politischen Ebenen Geschlechterdemokratie einzufordern.

Deutscher Frauenrat, Friedrich-Ebert-Stiftung, Heinrich-Böll-Stiftung, Rosa-Luxemburg- Stiftung, WOMNET/NRO-Frauenforum, BAG der kommunalen Frauenbüros und Gleichstellungsstellen

Aktuelle Ausgabe September 2025

In der September-Ausgabe plädiert Lea Ypi für eine Migrationsdebatte im Sinne der Aufklärungsphilosophie. Cinzia Sciuto fordert, der zunehmenden Aushöhlung des Völkerrechts mit einer entschiedenen Verteidigung desselben zu begegnen – und nicht mit Resignation und falschem Realismus. Für Georg Diez markieren die Kriegsverbrechen in Gaza und die fehlenden Reaktionen darauf einen Epochenbruch; sie stünden für nicht weniger als den Verrat des Westens an der Humanität. Herfried Münkler analysiert, wie Kriege historisch endeten und Friedenszeiten begannen und was das mit Blick auf den Ukrainekrieg bedeutet. Simone Schlindwein deckt auf, wie Russland junge Afrikanerinnen mit falschen Versprechen für die Kriegswirtschaft rekrutiert. Warum die grüne Digitalisierung ein Mythos ist und was der KI-Boom den Globalen Süden kostet, erläutern Ingo Dachwitz und Sven Hilbig. Und Eva-Maria Klinkisch sowie Markus Rieger-Ladich zeigen auf, wie Long Covid-Betroffene von der Gesellschaft und dem Gesundheitssystem systematisch ignoriert werden – und was dagegen zu tun ist. 

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