Ausgabe Dezember 2005

SPD: Politik als Standortsanierung

Mit dem Amtsantritt der Großen Koalition haben sich im deutschen Parteiensystem neue Kräfteverhältnisse und Rollenzuweisungen jenseits der alten Lagergrenzen herausgebildet. In dieser neuen Konstellation haben alle Parteien guten Grund zu fragen, wie sie in die derzeitige Lage geraten sind und welche Folgen sich für die kommenden Jahre abzeichnen.

Besonders dringlich erscheint eine solche Standortbestimmung für die SPD. Es waren schließlich die Sozialdemokraten, die nach ihrem Wahldesaster in Nordrhein-Westfalen ihr Heil in einer vorgezogenen Bundestagswahl gesucht und damit den jetzt erkennbaren Umbruch eingeleitet hatten. Es war wiederum die SPD, die zwar erwartungsgemäß die Mehrheit für Rot-Grün verlor, jedoch zugleich im Wahlkampf mit ihrer Polemik gegen das „Kirchhof- Modell“ die Unionsparteien so weit schwächen konnte, dass ein schon sicher erwartetes schwarz-gelbes Regierungsbündnis ebenfalls nicht möglich wurde. Und es waren eben auch die Sozialdemokraten, die im Verlauf der Koalitionsgespräche ihre Führungsriege auswechselten und auf ihrem Karlsruher Parteitag einer systematischen Standortbestimmung hartnäckig ausgewichen sind.

Jede Standortbeschreibung der SPD sollte sinnvollerweise mit der Wähleranalyse beginnen. Diese Bilanz der Ära Schröder/Müntefering ist verheerend. Die Sozialdemokratie hat seit 1999 auf allen politischen Ebenen eine beispiellose Serie von Niederlagen erlitten. Auch die Bundestagswahl vom 18.

Sie haben etwa 10% des Textes gelesen. Um die verbleibenden 90% zu lesen, haben Sie die folgenden Möglichkeiten:

Artikel kaufen (1€)
Digitalausgabe kaufen (10€)
Anmelden

Aktuelle Ausgabe Dezember 2025

In der Dezember-Ausgabe ergründet Thomas Assheuer, was die völkische Rechte mit der Silicon-Valley-Elite verbindet, und erkennt in Ernst Jünger, einem Vordenker des historischen Faschismus, auch einen Stichwortgeber der Cyberlibertären. Ob in den USA, Russland, China oder Europa: Überall bilden Antifeminismus, Queerphobie und die selektive Geburtenförderung wichtige Bausteine faschistischer Biopolitik, argumentiert Christa Wichterich. Friederike Otto wiederum erläutert, warum wir trotz der schwachen Ergebnisse der UN-Klimakonferenz nicht in Ohnmacht verfallen dürfen und die Narrative des fossilistischen Kolonialismus herausfordern müssen. Hannes Einsporn warnt angesichts weltweit hoher Flüchtlingszahlen und immer restriktiverer Migrationspolitiken vor einem Kollaps des globalen Flüchtlingsschutzes. Und die Sozialwissenschaftler Tim Engartner und Daniel von Orloff zeigen mit Blick auf Großbritannien und die Schweiz, wie wir dem Bahndesaster entkommen könnten – nämlich mit einer gemeinwohlorientierten Bürgerbahn. 

Zur Ausgabe Probeabo

Weitere Artikel zum Thema

Vom Proletariat zum Pöbel: Das neue reaktionäre Subjekt

von Micha Brumlik

Gewiss, es waren keineswegs nur Mitglieder der US-amerikanischen weißen Arbeiterklasse, die Donald Trump an die Macht gebracht haben. Und doch waren es auch und nicht zuletzt eben jene Arbeiter und Arbeitslosen – und genau hier liegt das eigentliche Erschrecken für die Linke.