Ausgabe Dezember 2005

SPD: Politik als Standortsanierung

Mit dem Amtsantritt der Großen Koalition haben sich im deutschen Parteiensystem neue Kräfteverhältnisse und Rollenzuweisungen jenseits der alten Lagergrenzen herausgebildet. In dieser neuen Konstellation haben alle Parteien guten Grund zu fragen, wie sie in die derzeitige Lage geraten sind und welche Folgen sich für die kommenden Jahre abzeichnen.

Besonders dringlich erscheint eine solche Standortbestimmung für die SPD. Es waren schließlich die Sozialdemokraten, die nach ihrem Wahldesaster in Nordrhein-Westfalen ihr Heil in einer vorgezogenen Bundestagswahl gesucht und damit den jetzt erkennbaren Umbruch eingeleitet hatten. Es war wiederum die SPD, die zwar erwartungsgemäß die Mehrheit für Rot-Grün verlor, jedoch zugleich im Wahlkampf mit ihrer Polemik gegen das „Kirchhof- Modell“ die Unionsparteien so weit schwächen konnte, dass ein schon sicher erwartetes schwarz-gelbes Regierungsbündnis ebenfalls nicht möglich wurde. Und es waren eben auch die Sozialdemokraten, die im Verlauf der Koalitionsgespräche ihre Führungsriege auswechselten und auf ihrem Karlsruher Parteitag einer systematischen Standortbestimmung hartnäckig ausgewichen sind.

Jede Standortbeschreibung der SPD sollte sinnvollerweise mit der Wähleranalyse beginnen. Diese Bilanz der Ära Schröder/Müntefering ist verheerend. Die Sozialdemokratie hat seit 1999 auf allen politischen Ebenen eine beispiellose Serie von Niederlagen erlitten. Auch die Bundestagswahl vom 18.

Sie haben etwa 10% des Textes gelesen. Um die verbleibenden 90% zu lesen, haben Sie die folgenden Möglichkeiten:

Artikel kaufen (1€)
Digitalausgabe kaufen (10€)
Anmelden

Aktuelle Ausgabe September 2025

In der September-Ausgabe plädiert Lea Ypi für eine Migrationsdebatte im Sinne der Aufklärungsphilosophie. Cinzia Sciuto fordert, der zunehmenden Aushöhlung des Völkerrechts mit einer entschiedenen Verteidigung desselben zu begegnen – und nicht mit Resignation und falschem Realismus. Für Georg Diez markieren die Kriegsverbrechen in Gaza und die fehlenden Reaktionen darauf einen Epochenbruch; sie stünden für nicht weniger als den Verrat des Westens an der Humanität. Herfried Münkler analysiert, wie Kriege historisch endeten und Friedenszeiten begannen und was das mit Blick auf den Ukrainekrieg bedeutet. Simone Schlindwein deckt auf, wie Russland junge Afrikanerinnen mit falschen Versprechen für die Kriegswirtschaft rekrutiert. Warum die grüne Digitalisierung ein Mythos ist und was der KI-Boom den Globalen Süden kostet, erläutern Ingo Dachwitz und Sven Hilbig. Und Eva-Maria Klinkisch sowie Markus Rieger-Ladich zeigen auf, wie Long Covid-Betroffene von der Gesellschaft und dem Gesundheitssystem systematisch ignoriert werden – und was dagegen zu tun ist. 

Zur Ausgabe Probeabo

Weitere Artikel zum Thema

Politik vor Recht: Die Aushöhlung der liberalen Demokratie

von Miguel de la Riva

Als der FPÖ-Chefideologe und heutige Parteivorsitzende Herbert Kickl im Januar 2019 in einem ORF-Interview darauf angesprochen wurde, dass seine Asylpläne an die Grenzen von EU-Recht, Menschenrechtskonvention und Rechtsstaat stoßen, antwortete der damalige österreichische Innenminister, „dass das Recht der Politik zu folgen hat und nicht die Politik dem Recht“.

Ernst, aber nicht hoffnungslos

von Thorben Albrecht, Christian Krell

Spätestens seit Ralf Dahrendorfs berühmt gewordener These vom „Ende des sozialdemokratischen Jahrhunderts“ gehören SPD-Niedergangsprognosen zu den Klassikern der parteibezogenen Publizistik. Die Partei hat diese Prognose bisher um 42 Jahre überlebt. Aber das konstituiert keine Ewigkeitsgarantie.