Ausgabe Mai 2005

Multilaterale Renaissance?

Die Bush-Regierung rückt von ihrem strikten Unilateralismus ab. Zumindest suggerierten dies in letzter Zeit die Europareisen von Präsident Bush, Außenministerin Rice und Verteidigungsminister Rumsfeld. Der Grundtenor ihrer aller Aussagen war, dass die USAußenpolitik global nicht ohne und schon gar nicht gegen ihre Partner agieren könne.

Bereits im letzten Jahr hatte George W. Bush zu verschiedenen Anlässen die neue Bereitschaft zur multilateralen Kooperation bekundet. Andere Anzeichen widersprechen indes der Möglichkeit eines solchen Kurswechsels. So führten insbesondere die Ernennungen der beiden Falken John Bolton (zum amerikanischen UN-Botschafter) und Paul Wolfowitz (zum neuen Präsidenten der Weltbank) zu erheblicher internationaler Kritik. Als strategische Köpfe hinter dem Irakkrieg waren beide für einen Großteil der Verstimmungen zwischen USA und "altem Europa" verantwortlich. Der neue Botschafter bei der UNO, John Bolton, gilt darüber hinaus als "UN-Skeptiker" – was angesichts seiner früheren Äußerungen noch recht milde ausgedrückt ist.

Die weltweiten Reaktionen auf diese Entscheidungen reichten von Unverständnis bis hin zu Bestürzung. Einige mühsam geknüpfte Bande zwischen den USA und ihren Partnern könnten nun erneut vor einer Zerreißprobe stehen, falls nämlich die Bush-Regierung – jenseits symbolischer Politik – doch wieder unilateralen Strategien folgt.

Sie haben etwa 11% des Textes gelesen. Um die verbleibenden 89% zu lesen, haben Sie die folgenden Möglichkeiten:

Artikel kaufen (1€)
Digitalausgabe kaufen (10€)
Anmelden

Aktuelle Ausgabe September 2025

In der September-Ausgabe plädiert Lea Ypi für eine Migrationsdebatte im Sinne der Aufklärungsphilosophie. Cinzia Sciuto fordert, der zunehmenden Aushöhlung des Völkerrechts mit einer entschiedenen Verteidigung desselben zu begegnen – und nicht mit Resignation und falschem Realismus. Für Georg Diez markieren die Kriegsverbrechen in Gaza und die fehlenden Reaktionen darauf einen Epochenbruch; sie stünden für nicht weniger als den Verrat des Westens an der Humanität. Herfried Münkler analysiert, wie Kriege historisch endeten und Friedenszeiten begannen und was das mit Blick auf den Ukrainekrieg bedeutet. Simone Schlindwein deckt auf, wie Russland junge Afrikanerinnen mit falschen Versprechen für die Kriegswirtschaft rekrutiert. Warum die grüne Digitalisierung ein Mythos ist und was der KI-Boom den Globalen Süden kostet, erläutern Ingo Dachwitz und Sven Hilbig. Und Eva-Maria Klinkisch sowie Markus Rieger-Ladich zeigen auf, wie Long Covid-Betroffene von der Gesellschaft und dem Gesundheitssystem systematisch ignoriert werden – und was dagegen zu tun ist. 

Zur Ausgabe Probeabo

Weitere Artikel zum Thema

»Deutsch-Südwest« unter Merz: Zurück zur Schuldabwehr?

von Henning Melber

Schon am Beginn des Ersten Weltkriegs musste Deutschland seinen „Platz an der Sonne“ räumen. Zuvor war das Kaiserreich kurzzeitig zur viertgrößten Kolonialmacht aufgestiegen, aber nun übernahmen die Kriegsgegner der Entente dessen okkupierte Territorien in Afrika und der Südsee.