Wochenlang bewegte die Debatte über eine neue Unterschicht das Land. Die Erregungskurve erreichte ungeahnte Ausschläge. Was Maßnahmen mit langfristiger Wirkung anbelangt, herrscht dagegen Fehlanzeige. Mehr noch: Die wohlmeinenden Bekenntnisse werden durch die gleichzeitigen Fakten im Kleingedruckten regelrecht konterkariert. Besonders drastisch zeigt sich dies auf dem Feld der Armutsbekämpfung und, damit korrespondierend, der Aufstiegsermöglichung.
Gerade hier wäre es unserer politischen Klasse anzuraten, die Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung „Gesellschaft im Reformprozess“ sehr viel genauer zur Kenntnis zu nehmen, als dies bisher tatsächlich geschehen ist. 1 Das vielleicht größte Verdienst dieser Studie besteht darin, nicht bei den bereits seit Jahren bekannten – und umso mehr Besorgnis erregenden – Fakten über das Ausmaß der materiellen Armut stehen zu bleiben, sondern darüber hinaus auch nach den politischen Einstellungen und persönlichen Zukunftserwartungen gefragt zu haben. Die Ergebnisse der Untersuchung sind in der Tat erschreckend: So geben 63 Prozent der Befragten an, dass ihnen die gesellschaftlichen Veränderungen Angst machen. Knapp die Hälfte, nämlich 46 Prozent, empfinden ihr Leben als ständigen Kampf; 14 Prozent sehen sich in jeder Hinsicht als Verlierer der gesellschaftlichen Entwicklung.