Ausgabe März 2006

Russland und das kosovarische Exempel

Über Nacht ist Kosovo wieder zu einem Thema der Weltpolitik geworden. Doch nicht wegen des Todes von Präsident Ibrahim Rugova oder der Entwicklung vor Ort, sondern aufgrund russischer Ambitionen.

Der russische Staatspräsident Wladimir Putin ging unmittelbar vor dem Außenministertreffen der Kosovo-Kontaktgruppe am letzten Januartag in London in die rhetorische Offensive. Russland will die offensichtliche Entschlossenheit des Westens, die mehrheitlich von Albanern bewohnte serbische Provinz in die Unabhängigkeit zu führen, für eigene Zwecke nutzen. So hat der russische Präsident wiederholt in Aussicht gestellt, dass Moskau die Unabhängigkeit der abtrünnigen Gebiete in den ehemaligen sowjetischen Republiken anerkennen wird, sollte der Westen auf der Selbstständigkeit Kosovos beharren. In Frage dafür kommen Süd-Ossetien und Abchasien in Georgien, Nagorno-Karabach, die armenische Enklave in Aserbaidschan, sowie Transnistrien in Moldawien, wo nach blutigen ethnopolitischen Auseinandersetzungen seit mehr als einem Jahrzehnt die Konflikte ungelöst sind – trotz der Vermittlungsbemühungen der UNO und der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit (OSZE). Zudem brachte der Kremlchef auch die Lage der russischen Bürger in den baltischen Staaten ins Spiel, indem er diese als wesentlich rechtloser darstellte als die Albaner in der Republik Mazedonien.

Sie haben etwa 10% des Textes gelesen. Um die verbleibenden 90% zu lesen, haben Sie die folgenden Möglichkeiten:

Artikel kaufen (1€)
Digitalausgabe kaufen (10€)
Anmelden

Aktuelle Ausgabe September 2025

In der September-Ausgabe plädiert Lea Ypi für eine Migrationsdebatte im Sinne der Aufklärungsphilosophie. Cinzia Sciuto fordert, der zunehmenden Aushöhlung des Völkerrechts mit einer entschiedenen Verteidigung desselben zu begegnen – und nicht mit Resignation und falschem Realismus. Für Georg Diez markieren die Kriegsverbrechen in Gaza und die fehlenden Reaktionen darauf einen Epochenbruch; sie stünden für nicht weniger als den Verrat des Westens an der Humanität. Herfried Münkler analysiert, wie Kriege historisch endeten und Friedenszeiten begannen und was das mit Blick auf den Ukrainekrieg bedeutet. Simone Schlindwein deckt auf, wie Russland junge Afrikanerinnen mit falschen Versprechen für die Kriegswirtschaft rekrutiert. Warum die grüne Digitalisierung ein Mythos ist und was der KI-Boom den Globalen Süden kostet, erläutern Ingo Dachwitz und Sven Hilbig. Und Eva-Maria Klinkisch sowie Markus Rieger-Ladich zeigen auf, wie Long Covid-Betroffene von der Gesellschaft und dem Gesundheitssystem systematisch ignoriert werden – und was dagegen zu tun ist. 

Zur Ausgabe Probeabo

Weitere Artikel zum Thema

Koloniale Nachwehen: Der Kampf um Kaschmir

von Amadeus Marzai

Ein brutaler Terroranschlag riss am Nachmittag des 22. April das idyllische Baisaran-Gebirgstal im von Indien kontrollierten Teil Kaschmirs aus seiner Ruhe. Es war der Beginn einer rapiden Eskalation im seit jeher angespannten indisch-pakistanischen Verhältnis und könnte sogar zum Ausgangspunkt eines größeren Krieges zwischen den beiden Nuklearmächten werden.

Südkorea: Vom Putschversuch zur Richtungswahl

von Fabian Kretschmer

Es ist mehr als nur ein Klischee, dass die südkoreanische Demokratie zu den lebhaftesten in ganz Asien zählt. Seit der Wahlkampf Anfang Mai offiziell eingeläutet wurde, sind die gläsernen Fassaden der Bürotürme in der Hauptstadt Seoul mit riesigen Plakaten der Spitzenkandidaten zugepflastert.

Vom kleinen zum großen Bruder

von Ulrich Menzel

Wenige Tage vor der Winterolympiade 2022 in China reiste Wladimir Putin zu einem Gipfeltreffen mit Staatschef Xi Jingping nach Peking, um Rückendeckung für die geplante Invasion der Ukraine zu bekommen, die er nur drei Wochen später beginnen sollte. Am 4. Februar 2022 verkündeten Putin und Xi in einer gemeinsamen Erklärung die „grenzenlose Freundschaft“ ihrer beiden Länder in der Auseinandersetzung mit dem „absteigenden Westen“.