Ausgabe November 2006

Großzügig kleinkariert

Eine Jahresbilanz der schwarz-roten Sozialpolitik

Als sich CDU/CSU und SPD nach der vorgezogenen Bundestagswahl vom 18. September 2005 und einem wochenlangen Tauziehen schließlich darauf einigten, gemeinsam Regierungsverantwortung zu übernehmen, und Angela Merkel zur ersten deutschen Kanzlerin wählten, vollzogen sie nur formell nach, was informell aufgrund der Mehrheitsverhältnisse in Bundestag und -rat bereits seit Jahren funktionierte. Lange vor der Wahl waren die Gemeinsamkeiten zwischen den etablierten Parteien so groß geworden, dass das Land faktisch von einer (ganz) großen Koalition regiert wurde.

Die schwarz-rote Koalitionsvereinbarung war von finanz- wie sozialpolitischer Buchhaltermentalität geprägt, wohingegen jedes Signal für einen Neuanfang fehlte. Bereits der Einleitungssatz der Präambel verdeutlichte die zugrunde liegende Strategie, weitere Einschnitte in das System der sozialen Sicherheit schlicht als Sachzwang erscheinen zu lassen: „Deutschland steht vor großen Herausforderungen: Arbeitslosigkeit, Staatsverschuldung, demographischer Wandel und der Veränderungsdruck der Globalisierung verlangen große politische Anstrengungen, um heutigen und künftigen Generationen ein Leben in Wohlstand zu sichern.“

Ein Jahr nach Angela Merkels erster Regierungserklärung zeigt sich, dass die großkoalitionären Rezepte weder geeignet sind, die Arbeitslosigkeit signifikant zu senken, noch den Fortbestand des Sozialstaates zu gewährleisten.

Sie haben etwa 7% des Textes gelesen. Um die verbleibenden 93% zu lesen, haben Sie die folgenden Möglichkeiten:

Artikel kaufen (1€)
Digitalausgabe kaufen (10€)
Anmelden

Aktuelle Ausgabe September 2025

In der September-Ausgabe plädiert Lea Ypi für eine Migrationsdebatte im Sinne der Aufklärungsphilosophie. Cinzia Sciuto fordert, der zunehmenden Aushöhlung des Völkerrechts mit einer entschiedenen Verteidigung desselben zu begegnen – und nicht mit Resignation und falschem Realismus. Für Georg Diez markieren die Kriegsverbrechen in Gaza und die fehlenden Reaktionen darauf einen Epochenbruch; sie stünden für nicht weniger als den Verrat des Westens an der Humanität. Herfried Münkler analysiert, wie Kriege historisch endeten und Friedenszeiten begannen und was das mit Blick auf den Ukrainekrieg bedeutet. Simone Schlindwein deckt auf, wie Russland junge Afrikanerinnen mit falschen Versprechen für die Kriegswirtschaft rekrutiert. Warum die grüne Digitalisierung ein Mythos ist und was der KI-Boom den Globalen Süden kostet, erläutern Ingo Dachwitz und Sven Hilbig. Und Eva-Maria Klinkisch sowie Markus Rieger-Ladich zeigen auf, wie Long Covid-Betroffene von der Gesellschaft und dem Gesundheitssystem systematisch ignoriert werden – und was dagegen zu tun ist. 

Zur Ausgabe Probeabo

Weitere Artikel zum Thema

Flucht vor der Verantwortung: Lieferkettengesetze am Ende?

von Merle Groneweg

Der 11. September erinnert nicht nur an den Einsturz des World Trade Centers in New York, sondern auch an eine der schwersten Katastrophen in der Textilindustrie: den Brand in der Fabrik Ali Enterprises in Karatschi, Pakistan.

Ohne EU-Mindestlohn kein soziales Europa

von Roland Erne

Nach Jahren antisozialer Politik infolge der Finanzkrise von 2008 standen soziale Fragen in der vergangenen Legislatur der EU wieder weiter oben auf der Agenda. Zwischen 2022 und 2024 verabschiedeten das EU-Parlament und der Rat seit langem wieder mehrere soziale EU-Gesetze, darunter die Richtlinie über „angemessene Mindestlöhne in der Europäischen Union“.

Drei Millionen ohne Abschluss: Was tun?

von Maike Rademaker

Die Zahl war lediglich einen Tag lang einige Schlagzeilen wert: Rund 2,9 Millionen junge Menschen zwischen 20 und 34 Jahren hierzulande haben keinen Berufsabschluss. Maike Rademaker analysiert Gründe und Lösungsansätze.