Ausgabe Juli 2007

Verfassungspatriotismus auf Europäisch

Die deutsche Sprache verfügt über eine Eigenschaft, die sie mit nur wenigen anderen Sprachen teilt: Sie kann zusammengesetzte Substantive bilden. Dadurch ist sie in der Lage, jederzeit und nach Bedarf neue Wörter zu erzeugen. Häufig gelingen treffsichere Bezeichnungen, die sich sofort durchsetzen, selbstverständlich werden, ihren Benutzern als immer schon vorhanden Gewesene gelten. Manchmal entstehen Wendungen, die man wegen ihrer vielgliedrigen Schwerfälligkeit belächelt oder ob ihrer Geschmacklosigkeit ablehnt, und die nach kurzer Zeit spurlos verschwinden. Anderen Fügungen wiederum ist ein langes und aufregendes Schicksal bereitet. Zunächst schwimmen sie unauffällig im Redestrom der Zeit, unversehens erlangen sie Prominenz, verblassen wieder, tauchen ab, um mit erneuertem Inhalt wieder hochzukommen, erstarren zum geläufigen, von jedermann anders interpretierten Zitat, beschäftigen den wissenschaftsgeschichtlichen Seziertisch der Historiker, um endlich, untot, zu neuen Verwendungen aufzubrechen.

Eine solche außergewöhnliche Schöpfung begehrte im Jahre 1959 Einlass in das Arsenal der politischen Sprache der Bundesrepublik. Sie lautete „Verfassungspatriotismus“ und stammte von Dolf Sternberger, dem viel zitierten, 1989 gestorbenen Publizisten und Politikwissenschaftler.

Sie haben etwa 5% des Textes gelesen. Um die verbleibenden 95% zu lesen, haben Sie die folgenden Möglichkeiten:

Artikel kaufen (1€)
Digitalausgabe kaufen (10€)
Anmelden

Aktuelle Ausgabe November 2025

In der November-Ausgabe ergründen Carolin Amlinger und Oliver Nachtwey die Anziehungskraft des demokratischen Faschismus. Frank Biess legt die historischen Vorläufer von Trumps autoritärer Wende offen – ebenso wie die Lebenslügen der Bundesrepublik. Daniel Ziblatt zieht Lehren aus der Weimarer Republik für den Umgang mit den Autokraten von heute. Annette Dittert zeigt, wie Elon Musk und Nigel Farage die britische Demokratie aus den Angeln zu heben versuchen. Olga Bubich analysiert, wie Putin mit einer manipulierten Version der russischen Geschichte seinen Krieg in der Ukraine legitimiert. Ute Scheub plädiert für die Umverteilung von Wohlstand – gegen die Diktatur der Superreichen. Sonja Peteranderl erörtert, inwiefern sich Femizide und Gewalt gegen Frauen mit KI bekämpfen lassen. Und Benjamin von Brackel und Toralf Staud fragen, ob sich der Klimakollaps durch das Erreichen positiver Kipppunkte verhindern lässt.

Zur Ausgabe Probeabo

Weitere Artikel zum Thema

Drei Millionen ohne Abschluss: Was tun?

von Maike Rademaker

Die Zahl war lediglich einen Tag lang einige Schlagzeilen wert: Rund 2,9 Millionen junge Menschen zwischen 20 und 34 Jahren hierzulande haben keinen Berufsabschluss. Maike Rademaker analysiert Gründe und Lösungsansätze.