Bild: Die Garderobe einer Kita (IMAGO / Rupert Oberhäuser)
Seit vielen Jahren sind die Kitas in der Krise: Überlastete Beschäftigte, fehlendes Fachpersonal, eingeschränkte Öffnungszeiten und Notgruppen sind spätestens seit der Coronapandemie zur täglichen Erfahrung für Millionen Menschen in Deutschland geworden. Auch wenn der Kollaps, den wir vor zwei Jahren befürchteten[1], bisher ausgeblieben ist, eine spürbare Verbesserung der Situation ist aktuell nicht abzusehen.
Die Herausforderungen, vor denen Kitas und Träger gegenwärtig stehen, unterscheiden sich dabei in beiden Teilen der Republik. Während in Westdeutschland weiterhin der Mangel an Fachkräften als Hauptproblem gilt, sieht man sich in Ostdeutschland nach dem abrupten Geburtenrückgang der vergangenen Jahre mittlerweile mit Überkapazitäten und einem entsprechenden Überschuss an Fachkräften konfrontiert. Doch was auf den ersten Blick wie ein Zeichen der Entspannung wirken könnte, erhöht unter den bestehenden Rahmenbedingungen die Belastung der Beschäftigten und führt zu breiter Verunsicherung. Der wachsende Einfluss rechter Akteurinnen und Akteure, die Kindertagesstätten zunehmend zum Ort und Gegenstand ideologischer Auseinandersetzungen machen, verstärkt die prekäre Lage.
Die heutigen Unterschiede zwischen den Kita-Systemen in Ost- und Westdeutschland sind das Ergebnis einer langen und vielfach gebrochenen Entwicklung. Ursächlich ist unter anderem der unterschiedliche Stellenwert, den einerseits die frühkindliche Bildung und andererseits die Erwerbstätigkeit von Frauen in beiden Systemen hatten.
Staatlich organisierte Betreuung
So gingen in der alten Bundesrepublik vielfach nur die Väter arbeiten; Kindererziehung galt dagegen als Privatsache, für die die Mütter häufig weitgehend alleine zuständig waren. Der – oft nur halbtags geöffnete – Kindergarten bot in diesem Zusammenhang allenfalls ein ergänzendes Betreuungsangebot. Anders in der DDR – hier waren Arbeitskräfte knapp und die frühkindliche Bildung ein integraler Bestandteil des staatlichen Bildungssystems. Die staatlich organisierte Kinderbetreuung diente dabei neben der „Erziehung zur sozialistischen Persönlichkeit“ auch der flächendeckenden Absicherung weiblicher Erwerbstätigkeit.
Mit der Vereinigung glichen sich die Verhältnisse in Ost und West zunächst an: Aufgrund des starken Geburtenrückgangs, der Abwanderung junger Frauen nach Westdeutschland sowie eines – auch durch hohe Arbeitslosigkeit – bedingten Rückzugs ins Familiäre reduzierten sich die Platzkapazitäten im Osten um bis zu zwei Drittel, mehr als die Hälfte der Fachkräfte verloren ihre Arbeit.[2] Das änderte sich ab den 2000er Jahren. Nicht zuletzt auf Druck der Wirtschaft wurden nun bundesweit Bildungsprogramme mit verbindlichen Qualitätsstandards eingeführt. Es entstanden zahlreiche neue Plätze für die unter Dreijährigen, die täglichen Betreuungszeiten wurden ausgeweitet. Für ostdeutsche Kitas bedeutete dies die Rückkehr zu einer flächendeckenden, institutionell verankerten Betreuung, aber auch die Orientierung an neuen pädagogischen Leitbildern.
Vom Fachkräftemangel zur Überkapazität
Bemerkenswerterweise entwickeltensich viele Rahmenbedingungen in Ostdeutschland dennoch dauerhaft ungünstiger als im Westen. So zeichnen sich ostdeutsche Kitas zwar bis heute durch lange Öffnungszeiten und hohe Fachkräftequoten aus, doch der Personalschlüssel blieb – nicht zuletzt aufgrund austeritätspolitischer Vorgaben – dauerhaft unter westdeutschem Niveau.[3] Dabei entscheidet die Frage, wie viele Erzieherinnen und Erzieher wie viele Kinder betreuen, ebenso über die Belastung der Beschäftigten wie über die Qualität der Bildungsarbeit.
Bundesweite Entwicklungen stoßen damit nun auf ungleiche Voraussetzungen in Ost und West. So führen etwa krankheitsbedingte Ausfälle bei langen Öffnungszeiten und knapper Personaldecke besonders schnell zu kritischen Engpässen. Auch die Integration von Kindern mit Migrationsgeschichte bereitet in Ostdeutschland oftmals größere Schwierigkeiten, da es dazu bisher nur begrenzt Vorerfahrungen gibt. Hinzu kommen die Auswirkungen des demografischen Wandels. Seit 2022 erlebt Deutschland einen drastischen Rückgang der Geburtenzahlen, der in den ostdeutschen Ländern mit bis zu 25 Prozent besonders stark ausfällt.[4] Dieser Rückgang wirkt sich auch deshalb besonders drastisch aus, da der Mangel an Fachkräften dort bereits zuletzt deutlich zurückgegangen war. Zugleich besuchen hier anteilig doppelt so viele Kinder unter drei Jahren eine Kita.[5] Was im Westen daher vielerorts als vorübergehende Entlastung im Rahmen eines anhaltenden Expansionsprozesses erlebt wird, zwingt die Kita-Träger im Osten zu teils drastischen Reaktionen. So verkleinert man dort bereits Einrichtungen, legt Gruppen zusammen oder schließt vereinzelt Standorte ganz. Gleichzeitig entsteht ein Wettbewerb zwischen den Kitas um die verbleibenden Kinder, in dem pädagogische Profile, Zusatzangebote und insbesondere zuverlässige Öffnungszeiten entscheidende Faktoren sind.
Für Eltern in urbanen Räumen ergeben sich dadurch zwar punktuell größere Wahlmöglichkeiten, in ländlichen Gebieten kann es jedoch fast unmöglich werden, überhaupt noch eine wohnortnahe Betreuung zu finden. Für die Beschäftigten bedeutet diese Situation zusätzlichen Druck und erhebliche Unsicherheit. Nicht selten bleiben Einrichtungen selbst dann noch geöffnet, wenn sie personell massiv unterbesetzt sind – aus Sorge, sonst dauerhaft Kinder an konkurrierende Kitas zu verlieren. Branchenübliche Arbeitsverträge mit flexibler Wochenstundenzahl werden auf die Mindestarbeitszeit reduziert, befristete Verträge nicht verlängert, Auszubildende nicht übernommen. Es kommt zu Umstrukturierungen in Teams, zur Versetzung von Mitarbeitenden in andere Einrichtungen und zu betriebsbedingten Kündigungen.
Der Umgang von Trägern und Beschäftigten mit dieser Situation ist zumeist pragmatisch: Während die Träger vielfach bemüht sind, betroffene Fachkräfte in benachbarte Arbeitsfelder wie Hortbetreuung oder Hilfen zur Erziehung zu vermitteln, reagieren viele Erzieherinnen und Erzieher auf die unsicheren Perspektiven bisher mit Anpassung – oder Abwanderung. Besonders in grenznahen Regionen zu Westdeutschland, wo die Arbeitsbedingungen günstiger sind, pendeln Fachkräfte in die Nachbarländer oder ziehen um. So kann es in den Randgebieten Ostdeutschlands – paradoxerweise – trotz bestehender Überkapazitäten zu einem Fachkräftemangel kommen, während die westdeutschen Grenzregionen umgekehrt profitieren.
Personalschlüssel verbessern
Ein politischer Lösungsansatz liegt auf der Hand. Gewerkschaften, Fachverbände und Träger fordern seit Monaten, die demografisch bedingten Überkapazitäten zu nutzen, um Personalschlüssel zu verbessern, Arbeitsbelastungen zu senken, die pädagogische Qualität zu steigern und zugleich die Arbeitsplätze der Beschäftigten zu sichern. Ein solcher Kurswechsel würde nicht nur den Verbleib erfahrener Fachkräfte ermöglichen, sondern auch verlässliche Betreuungszeiten gewährleisten – und das ohne zusätzliche Rekrutierungsanstrengungen. In Sachsen wurde mit einem 2024 beschlossenen Moratorium bereits ein erster Schritt in diese Richtung unternommen.[6] In den übrigen ostdeutschen Bundesländern fehlen vergleichbare Maßnahmen bisher. Vor allem die auf Einsparungen verpflichtete Politik der Länder und Kommunen verhindert vielerorts eine strukturelle Verbesserung der Personalausstattung. So bleibt eine historisch beispiellose Gelegenheit ungenutzt, das Kita-System im Osten Deutschlands zu stabilisieren und zu verbessern.
Dies erscheint besonders fahrlässig, da autoritäre und demokratiefeindliche Kräfte gerade in Ostdeutschland aktuell erheblich an Einfluss gewinnen. Wo rechtspopulistische Parteien wie die AfD in Umfragen auf hohe Zustimmungswerte kommen oder reale Machtoptionen erhalten, stellt sich zwangsläufig auch die Frage nach dem Verhältnis ihrer Ideologie zum Kita-Bereich.
Zwischen Demokratiebildung und rechtem Kulturkampf
Grundsätzlich pflegt die AfD zur frühkindlichen Bildung ein ideologisch widersprüchliches Verhältnis. So propagiert sie einerseits ein erzkonservatives Familienbild, in dem Kinder zu Hause betreut werden und staatliche Bildungseinrichtungen möglichst spät ins Spiel kommen sollen.[7] Andererseits fordert sie bereits seit Jahren bevölkerungspolitische Maßnahmen, um die Geburtenzahlen zu erhöhen – ohne umfassende staatliche Betreuungsangebote erscheint dies jedoch kaum vorstellbar. Entsprechend oszilliert ihre politische Programmatik: So schlug die AfD-Fraktion im Landtag Sachsen-Anhalts jüngst vor, sämtliche Investitionen in Verfassungsschutz, Demokratieförderprogramme und sonstige – aus AfD-Sicht – ideologisch missliebige Maßnahmen zu streichen und diese Mittel stattdessen vollständig in die Befreiung der Eltern von Kita-Gebühren zu investieren.[8] Forderungen nach einer Verbesserung der pädagogischen Qualität oder der Arbeitsbedingungen blieben dabei bemerkenswerterweise außen vor. Stattdessen versucht die AfD ironischerweise, punktuell durch positive Bezugnahmen auf das staatliche Kita-System der DDR an ostdeutsche Verlusterfahrungen der Nachwendezeit anzuschließen. Zugleich richtet sich ihr Ressentiment gegen die inhaltliche Ausrichtung frühkindlicher Bildung auf Demokratiebildung, die Anerkennung kultureller Vielfalt, Inklusion oder Geschlechtergerechtigkeit. Aber auch die Forderung nach sexualpädagogischen Kompetenzen, wie sie in ost- wie westdeutschen Bildungsprogrammen mittlerweile festgeschrieben sind, nicht zuletzt, um Kinder vor sexualisierter Gewalt zu schützen, wird gezielt delegitimiert und als Ausdruck einer vermeintlichen linken Indoktrination bekämpft.[9]
Entsprechend wächst die Sorge innerhalb der Trägerstrukturen. In Sachsen-Anhalt etwa, wo bei den Landtagswahlen 2026 selbst eine AfD-Alleinregierung nicht ausgeschlossen erscheint, beschäftigen sich die Verantwortlichen seit einiger Zeit mit den möglichen Folgen für den frühkindlichen Bildungsbereich. Insbesondere befürchten sie, dass eine neue Landesregierung versuchen könnte, Bildungsprogramme umzuschreiben, Unterstützungsstrukturen für Inklusion zurückzufahren und Träger über veränderte Förderlogiken unter politischen Anpassungsdruck zu setzen.
In dieser Hinsicht sind die aktuellen Handlungsspielräume jedoch begrenzt: So erproben einzelne Träger zwar Strategien, um ihre Beschäftigten durch Fortbildungen im Umgang mit rechten Eltern zu schulen. Doch erste Rückmeldungen zeigen, dass die Bereitschaft zur Auseinandersetzung – auch angesichts ohnehin hoher Arbeitsbelastungen – sehr unterschiedlich ausgeprägt ist. Nicht zuletzt ist völlig unklar, in welchem Ausmaß rechtsautoritäre Einstellungen unter den Kita-Beschäftigten selbst anzutreffen sind.
Vorbote gesamtdeutscher Entwicklungen?
Noch lässt sich die ostdeutsche Entwicklung als Sonderfall beschreiben – ausgelöst durch einen besonders markanten Rückgang der Geburtenzahlen. Doch auch im Westen gehen die Zahlen seit einigen Jahren spürbar zurück.[10] Verstetigt sich dieser Trend, könnte auch dort perspektivisch ein Überangebot an Plätzen entstehen.[11]
Die Folgen für die Beschäftigten fielen womöglich sogar noch härter aus: Denn zum einen arbeitet das System in Westdeutschland mit tendenziell besseren Personalschlüsseln – und weniger Kinder pro Erzieher:in bedeutet, dass bei sinkenden Kinderzahlen anteilmäßig mehr Stellen wegfallen. Zum anderen liegen diese Schlüssel im Westen häufig schon nahe an den fachlich empfohlenen Standards, sodass der Spielraum für qualitative Verbesserungen entsprechend geringer ist.
Hinzu kommt der politische Druck, die Migration einzuschränken: Weil ein deutlich größerer Teil der internationalen Zuwandererinnen und Zuwanderer in Westdeutschland ankommt, schlägt sich die „Migrationswende“ hier auch stärker in geringeren Kinderzahlen nieder. Auch wenn man sich im Westen aktuell hinsichtlich direkter rechter Einflussnahme auf den Kita-Alltag bisher noch verhältnismäßig sicher fühlen kann, dürften die strukturellen Folgen der rechten Diskurshegemonie das System dort letztlich nicht weniger stark als im Osten Deutschlands erschüttern.
[1] Vgl. Franziska Meyer-Lantzberg, Stefan Kerber-Clasen, Yalçın Kutlu, Kita – Krise – Kollaps?, in: „Blätter“, 8/2023, S. 111-116.
[2] Vgl. Marlen Borchardt, Die Re-Familialisierung und Kommunalisierung der öffentlichen Kinderbetreuung in Sachsen in den 1990er-Jahren, in: „Prokla“, 212/2023, S. 451-469.
[3] Vgl. Frühkindliche Bildungssysteme, laendermonitor.de.
[4] Vgl. Statistisches Bundesamt, destatis.de.
[5] Vgl. Frühkindliche Bildungssysteme, laendermonitor.de.
[6] Vgl. Sächsischer Landtag, Antrag der Fraktionen CDU, Bündnis 90/Die Grünen und SPD vom 16.9.2024: Kita-Moratorium zur Sicherung der „demografischen Rendite“, DS 7/17127.
[7] Vgl. etwa AfD-Fraktion im Landtag Sachsen-Anhalt, Magdeburger Erklärung zur Frühsexualisierung vom 14.11.2016, dasendedessex.de.
[8] Vgl. Landtag von Sachsen-Anhalt, Änderungsantrag der Fraktion AfD: Entwurf eines Gesetzes über die Feststellung des Haushaltsplans für die Haushaltsjahre 2025 und 2026 vom 17.2.2025, DS 8/5175, padoka.landtag.sachsen-anhalt.de.
[9] Vgl. etwa Landtag von Sachsen-Anhalt, Antrag der Fraktion AfD: Kinder Kind sein lassen! Keine Förderung der Frühsexualisierung in Sachsen-Anhalt vom 8.3.2024, DS 8/3857, padoka.landtag.sachsen-anhalt.de.
[10] Vgl. Statistisches Bundesamt, destatis.de.
[11] Vgl. Klaus Klemm, Zu den Folgen der aktuellen demografischen Entwicklung für den Elementar- und den Primarbereich: Zentrale Ergebnisse auf einen Blick, 2025, pedocs.de.