Von der Selbstvergewisserung zur Selbstwirksamkeit?

Bild: Überreste der Berliner Mauer an der Bernauer Straße in Berlin, 5.11.2024 (IMAGO / photothek / Florian Gaertner)
Die Debatte um die Verfasstheit der ostdeutschen Gesellschaft im vereinten Deutschland ist so alt wie die deutsche Einheit selbst. Mehr noch: Der Diskurs um die Repräsentation der Ostdeutschen begann bereits in den Monaten vor dem 3. Oktober 1990, als um den Weg zur Einheit gerungen wurde. Umstritten war, ob die Einheit durch einen Beitritt der DDR zur Bundesrepublik nach Art. 23 GG oder durch eine Vereinigung nach Art. 146 GG vollzogen werden sollte. Mit dem Ergebnis der ersten (und zugleich letzten) freien Wahlen zur Volkskammer der DDR am 18. März 1990 war der Weg zu einer raschen deutschen Einheit vorgezeichnet: Eine überwältigende Mehrheit der DDR-Bürger votierte mit ihrer Stimme für die „Allianz für Deutschland“ und damit für den Anschluss an die Bundesrepublik und die vollständige Übernahme von deren wirtschaftlicher und politischer Ordnung. Seitdem haben sich die Debatten über Ostdeutschland zu einem eigenständigen zeithistorischen Diskursphänomen entwickelt, in dem ausgehandelt wird, wer mit wem in welcher Weise über die Geschichte und Gegenwart des Landes spricht und wer seine Deutungen durchsetzen kann.
Wie präsent sind ostdeutsche Kollektiverfahrungen?
In den ersten Jahren entzündeten sich diese Debatten an den zu treffenden Entscheidungen über die Ausgestaltung der deutschen Einheit.