Wie die Geschichtspolitik der AfD rechte Regierungen in Ostdeutschland vorbereitet

Bild: Beim AfD-Sommerfest in Sömmerda, 24.8.2024 (IMAGO / Karina Hessland)
Angesichts der jüngsten Wahlerfolge der AfD in ganz Deutschland, aber speziell im Osten, und der Möglichkeit, in diversen Bundesländern, aber jetzt auch im Bund zum ersten Mal eine rechtskonservative Mehrheit zustande zu bringen, beruft sich die AfD mit aller Vehemenz auf den angeblichen „Volkswillen“, der nun zu einer rechten Mehrheit dränge – spätestens bei den kommenden Landtagswahlen 2026 in Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern auch unter AfD-Führung.
Schon früher hatte die Partei – etwa in Person der ehemaligen Vorsitzenden Frauke Petry – sogar versucht, den Begriff „völkisch“ politisch zu rehabilitieren. Da Demokratie „Volksherrschaft“ bedeute, so das Argument, sei daran doch nichts Falsches. Dagegen zählen wie bei allen populistischen Parteien auch bei der AfD die „Berufspolitiker“ (hier der angeblichen „Altparteien“) schon seit der Frühphase zu ihren wichtigsten Feindbildern, da diese jeglichen Kontakt zum Volk verloren hätten. Nach Vorstellung der AfD sollten Volksentscheide diese Repräsentationslücke füllen und „Volkes Stimme“ in der Politik stärken.
„Dieser starke Bezug auf das Volk und auf direkte Demokratie“, kommentiert der Historiker Michael Wildt, „gelingt der AfD nur, weil sie ein spezifisches Volksverständnis besitzt, nämlich ein homogenes Volk will.“[1] Der rechten Agitation kommt traditionell die semantische Doppeldeutigkeit des Volksbegriffs entgegen. Im Umfeld der Partei hat Götz Kubitschek 2015 vorgemacht, wie sich die Doppeldeutigkeit des Volksbegriffs als politische Kategorie einerseits und als biologistische andererseits ausspielen lässt. In einer Rede in Leipzig führte er das Volk – im Sinne von demos – zunächst als Souverän ein, um den Inhalt dann Schritt für Schritt zur Blut- und Schicksalsgemeinschaft – ethnos – zu verschieben.[2] Angesichts dieses Anspruchs, den „wahren“ Souverän wieder zur Geltung zu bringen, war es nur folgerichtig, dass auf Plakaten, Transparenten und in Sprechchören bei Pegida und ähnlichen Aufzügen die Parole der Wende von 1989 auftauchte: „Wir sind das Volk!“ Damit war eine weitere geschichtspolitische Linie gezogen, die von der Bürgerrechtsbewegung der ehemaligen DDR bis in die heutige Protestkultur der extremen Rechten reicht – ganz wie es 2019 im Brandenburgischen Wahlkampf unmissverständlich auf AfD-Plakaten zu lesen war: „Damals wie heute: Wir sind das Volk!“
Diese symbolisch stark aufgeladene Beschwörung des „wahren Souveräns“ öffnet die Tür zu einem weiteren geschichtspolitischen Phänomen dieser Tage, mit dem sich aus rechter Sicht diverse historische und politische Widersprüche vereinen lassen: das Paradox einer antikommunistischen DDR-Nostalgie. Sie ist besonders in Ostdeutschland Teil der Agitation, wo es ihr biographische Elemente der Adressaten erleichtern, Erinnerungen abzurufen und emotionales Einverständnis herzustellen. Als eine bemerkenswerte Rückprojektion wird sie von interessierter Seite aktiv in das politische Tagesgeschäft eingebracht.
Zunächst sollte diese neuerliche Verzerrung der Geschichte jedoch nicht leichtfertig mit dem Selbstbewusstsein vieler Ostdeutscher verwechselt werden, das durch die konkreten historischen Unterschiede zum „Westen“ geprägt ist. Vor dem Hintergrund der sozialen und biographischen Verwerfungen ist die Herausbildung einer solchen Ostidentität völlig nachvollziehbar. Doch bilde diese, wie der Soziologe Steffen Mau jüngst beschrieben hat, eigentlich eine vergleichsweise „dünne und latente Identität“.[3] Bei der Untersuchung dieser Haltung weist er zudem auf starke Generationsunterschiede hin, allerdings wäre es verwunderlich, wenn sich in den auch nach drei Jahrzehnten noch so genannten „neuen Bundesländern“ kein von den „alten“ unterschiedenes Kollektivbewusstsein ausgeformt hätte. Als Minimaldefinition dieses Phänomens schlägt Mau folgende Formel vor: „Ostdeutsche Identität bezieht sich auf den Osten als spezifischen Erfahrungs-, Sozial- und Kulturraum, der als subjektiv erlebter und gedeuteter kollektiver Zusammenhang zum Thema wird.“[4] Das hier verhandelte Identitätsangebot der AfD geht, wie noch zu sehen sein wird, jedoch weit darüber hinaus. Dabei handelt es sich auch um mehr als die vor allem in den Transformationsjahren nach der Wende diskutierte „Ostalgie“, in der die erwachsene Verklärung der eigenen Jugendjahre bei Ostdeutschen generationsbedingt mit dem DDR-System zusammenfiel.[5] Im Zentrum der rechten Appelle stehen also nicht einfach die Form eines Ampelsignals oder der vergessene Geschmack der NVA-Erbsensuppe, es geht auch weniger um das reale Ost-West-Gefälle in Grundeigentum, Renten und Einkommen, vielmehr spielen Fragen der gesellschaftlichen Liberalität und des Lebensstils eine entscheidende Rolle. Im Gegensatz zu einer Identitätsbildung, die an das eigene Erleben geknüpft ist, wird die antikommunistische Verklärung der DDR damit explizit politisch aufgeladen.
Ganz wie bei der Neuschreibung der sowjetisch-russischen Geschichte stehen in ihrem Mittelpunkt nicht soziale, sondern ordnungs- und kulturpolitische Belange. Ihre Traditionslinie ist in erster Linie autoritär. Um dieses beanspruchte Erbe des „Ostens“ schließlich antreten zu können, hat die Propaganda der äußersten Rechten die dortigen spezifischen Gefühlslagen gezielt verstärkt und politisch ausgebeutet.
Ostalgie – von den Wärmestuben der Volkssolidarität in die Hochkultur
Anders als die Ostalgie der 1990er Jahre sieht Steffen Mau den neuen „ostdeutschen Identitätsdiskurs nicht mehr nur im Trümmerfeld der Partei Die Linke, in den Wärmestuben der Volkssolidarität und auf Ostrock-Partys“, er sei längst auch in der Hoch- und Alltagskultur sowie der Politik etabliert.[6] Damit ist dieses Bewusstsein faktisch in vielfältiger Gestalt anzutreffen, muss aber allein weder eine volle Identität bestimmen noch unmittelbare politische Konsequenzen zeitigen.
Die Erfolgsbedingung für die autoritär-populistische Strömung ist also die gezielte Bewirtschaftung dieser zunächst politisch unbestimmten und latenten Identität gewesen, um vorhandene Differenzen noch zu vergrößern und die Empfänger mit politischen Deutungsangeboten zu versorgen.[7] Vorausgegangen war allerdings ein grundlegender Perspektivenwandel des rechten Lagers, das sich wie im Fall Russlands zunächst selbst von den jahrzehntelang eingeübten Stereotypen befreien musste.
Noch unmittelbar nach der Wende hatte die neurechte Publizistik sehr misstrauisch auf das „Erbe der DDR-Bewußtseinsindustrie“ geblickt und sich gefragt, welche Einflüsse nun auf das Land wirken würden.[8] Die Skepsis ist allmählich der Begeisterung gewichen, und heute beutet dasselbe Milieu die antiliberalen Hinterlassenschaften der SED schamlos aus. AfD & Co. verstanden es schnell, das „neue Selbstbewusstsein Ost“ in ihrem Sinne autoritär, völkisch und national zu lenken, indem sie identitätsstiftende Elemente gezielt politisch aufluden. In der mit viel Aufwand betriebenen Rekonstruktion wurde der „Osten“ jetzt „als Gegenbild zum Westen [verstanden], als Bollwerk gegen liberale Strömungen oder als Avantgarde einer Entwicklung, die man sich gesamtdeutsch wünscht. Der Westen erscheint aus dieser Perspektive als verweichlicht, migrantisch, in den Fängen einer ‚linksgrünen‘ und ‚woken‘ Kulturelite, der Osten hingegen als ‚national befreite Zone‘. Der Westen ist so, wie man nicht werden möchte.“[9] Bei dieser mehr und mehr wirkmächtigen Disposition ist allerdings in Vergessenheit geraten, dass bis 1989 die Wiedervereinigung fast ausschließlich auf der Agenda der politischen Rechten stand und diese es auch nach dem Mauerfall mit der Umsetzung besonders eilig hatte. Es entbehrt nicht der Ironie, dass sich bei der letzten Volkskammerwahl 1990 ausgerechnet das Bündnis konservativer Ost-Parteien (CDU-Ost, DSU und DA), das vehement für eine sofortige Vereinigung eintrat, „Allianz für Deutschland“ nannte und damit dasselbe Kürzel hatte wie jene Partei, die heute die ostdeutsche Sonderidentität besonders intensiv bedient. Der zunächst positive Blick nach „Westen“ hat offensichtlich eine starke Trübung erlitten. Knapp drei Jahrzehnte, nachdem seine Partei eilig zur Vereinigung drängte, diktierte der ehemalige DDR-Dissident und zur Wendezeit einflussreiche sächsische CDU-Ost-Politiker Arnold Vaatz dem „Spiegel“ den Satz: „Wir sind alle mit dem Westen fertig, […] es gibt den Westen für uns nicht mehr.“[10] Solche Positionswechsel macht die These des Sozialpädagogen Tobias Frank schlüssig, die die heutige Ablehnung als Resultat eines „Kulturschocks“ begreift, in dem sich erst Euphorie, dann Entfremdung und schließlich Eskalation aus Enttäuschung Bahn brechen können – um anschließend im günstigen Fall zur Verständigung zu finden.[11] Bevor sich allerdings die Wogen wie erhofft glätten können, müssen einige Hindernisse aus dem Weg geschafft werden, die mittlerweile durch Agitation und durchaus auch schlechte Erfahrungen errichtet wurden. Die Bedingungen dafür sind jedoch erschwert, denn als ein biographisch und sozial konkret erfahrbarer Raum bot der „Osten“ besondere Vorteile für jegliches Abgrenzungsbestreben, was die Differenz sich entsprechend tief im Denken verankern ließ. Die Dichotomie von „Ost“ und „West“ fungiert inzwischen nicht nur als ordnendes Element für bereits erlittene oder noch befürchtete Verluste, sondern liefert zugleich Zugehörige und Fremde, Opfer und Täter. Diese Eigenschaften fügen sich harmonisch in die Welterklärungsmuster der extremen Rechten ein, wonach sinistre Kräfte einer „globalistischen Elite“ mittels Pandemien, Weltmarkt, Migration und „Kulturmarxismus“ die Vernichtung autochthoner Bevölkerungen vorantreiben. Derartige Verschwörungserzählungen, führt der Sozialökonom Jan Weyand aus, verwandelten „alle sozialen Phänomene in Beziehungen zwischen Gruppen“ und machen den sozialen Raum zum „Raum intern hierarchisch strukturierter Gruppen“. Eine Wahrnehmung, die in Kombination mit einer geographischen Ordnung noch befeuert werden dürfte, da sich in ihr die Grenzen noch leichter ziehen lassen. Es etabliert sich eine Sichtweise, nach der es „neben der Hierarchie in der eigenen Gruppe […] noch genau zwei Gruppen gibt: böse Täter und unschuldige Opfer“. Diese Gliederung, fährt Weyand fort, sei deshalb elementar, weil „die Aufdeckung des bisher verborgenen Tuns […] die Voraussetzung für Gegenmaßnahmen ist“.[12] Nach diesen Vorgaben lässt sich das reale Ost-West-Gefälle in die konkret erfahrene Welt integrieren, inklusive der durch AfD & Co. angebotenen „Gegenmaßnahmen“. Im „Ost-West-Konflikt“, dessen Muster in gewissem Sinne auch im größeren Maßstab – Russland versus „der Westen“ – gilt, kommt diesem Denken die klare territoriale Abgrenzung entgegen. Das „Böse“ zählt in der imaginierten Gemeinschaft nicht dazu, es steht als Bedrohung außerhalb – westlich der Elbe. Störende Elemente in der eigenen Gruppe lassen sich im geographisch geschlossenen Raum entweder unter der Gemeinschaftsrhetorik kaschieren oder tatsächlich zum Schweigen bringen. Dieses Denken hat einen hohen Wirkungsgrad, da es ordnende Funktionen verbürgt. Zur Steuerung der Wahrnehmung übernimmt es „soziale, normative und emotionale“ Leistungen, die die „soziale Welt nach einem banalen, aber wirkmächtigen Schema in eine Welt von ‚guten‘ und von ‚bösen‘ Akteuren [ordnen] und die eigene Person der Gruppe der Guten zu[rechnen]. Verschwörungstheorien legen Zugehörigkeiten fest, d. h. sie haben eine Identitätsfunktion, sie verbinden Welterklärung und soziale Identität.“[13]
Die Gefahr aus dem Westen
Das Resultat ist eine mehrfach – lokal, historisch, biographisch und politisch – abgesicherte Identität, die genau weiß, dass ihr Gefahr aus „dem Westen“ droht. Diese Antihaltung scheint massentauglich geworden zu sein, wovon schon der Lobpreis der Ostidentität in den rechten Social-Media-Blasen zeugt. „Ostdeutsch“, verkündet ein seit Jahren durch das Internet geisterndes und vielfach geteiltes Motiv, sei „ja heutzutage ein Kompliment“. Es folgt eine Aufzählung der angeblich im Westen verlorenen Tugenden: „abgeschlossene Ausbildung, saubere Ahnentafel, Allgemeinbildung, rationales Denken, technisches Grundverständnis, ideologiefreie Weltanschauung.“
Was sich dem Publikum als witziger Spruch anbiedert, steht jedoch für weit mehr als nur für Spießerhumor. Die Formel „ideologiefreie Weltanschauung“ ist zwar widersinnig, bezeichnet aber genau das Selbstverständnis jener AfD-„Normalität“, die stets alle anderen, von CSU bis Grüne, für irregeleitet hält. Auch der so breitbeinig vorgetragene Produzenten- und Bildungsstolz hat wenig mit der Realität zu tun. Schließlich sind die Lage am Arbeitsmarkt, Schulabbruchquoten und Ausbildungssituation in den ostdeutschen Bundesländern weit dramatischer als im Westen.[14] Die „saubere Ahnentafel“ hingegen gibt in purem Nazijargon das Phantasma des „homogenen Volkes“ wieder und bezieht sich auf ein Verständnis, nach dem man „rein deutsch“ nur noch auf dem Territorium der Ex-DDR sein könne. Wie bei vielen vergleichbaren Social-Media-Phänomenen tat das offene Bekenntnis zur NS-Rassenideologie – hier unter der Fahne der „Ideologiefreiheit“ und mit dem Begriff „Ahnentafel“, der heute fast nur noch in der Adelsforschung und Haustierzucht verwendet wird –, dem Erfolg des Sprüchleins keinen Abbruch.
Offensichtlich bedient die Melange aus Ostidentität und völkischem Nationalismus ein verbreitetes Bedürfnis, wie sich auch in den Autoaufklebern zeigt, die in großen Frakturlettern stolz die Herkunft des Fahrzeughalters verkünden: „Ostdeutschland“! Diese Ortsbestimmung wird auch in Fankurven und bei rechten Aufmärschen laut vorgetragen und ist längst nicht nur geographisch gemeint. Aus diesem Kalkül, so Steffen Mau, sei das ostdeutsche Selbstverständnis zwischen Opfer und Avantgarde routiniert von rechts gefördert und eine erfolgreiche „Marke“ geschaffen worden.[15] Die AfD wusste sich dieser ostdeutschen Identitätsbedürfnisse von Beginn an anzunehmen. Schon früh hatte sie einen AfD-blau lackierten Trabbi auf Tour über ostdeutsche Dörfer geschickt. So nutzte sie ein Auto, das nach 1989 niemand mehr fahren wollte, um sich mit der Aufschrift „Hol’ dir dein Land zurück!“ auf eine Vergangenheit zu berufen, die es nie gegeben hatte.[16] Nach ähnlichem Muster arbeitete die Parole der Brexit-Kampagne in Großbritannien: „take back control!“ – als habe es jemals irgendwo und dann noch in einer so ausgeprägten Klassengesellschaft wie der britischen die volle Souveränität des Einzelnen gegeben. In den nächsten Jahren wird sich zeigen, ob der politische Sonderweg der ostdeutschen Bundesländer mit der AfD in der föderalen Struktur Deutschlands ähnliche Konsequenzen nach sich zieht wie der Brexit, mit dem „aus lauter imaginierter Machtvollkommenheit nichts anderes betrieben worden [ist] als eine Demontage der eigenen Position in einem institutionalisierten Zusammenhang, dessen verhasste Institutionen dabei nicht einmal unbedeutend geworden sind“.[17] Im Zuge dieser Selbstfindung machte die Verwendung von Objekten des DDR-Alltags für rechte Botschaften Schule. Im Landtagswahlkampf 2024 verbreitete die AfD die Parole „Simson statt Lastenrad“. Mittels der Suhler Motorradmarke, die wie der Trabbi längst vom Markt verschwunden ist, appellierte sie einerseits an die Ostidentität, richtete sich aber zugleich gegen den „grünen“ Lebensstil. Eine ähnlich symbolische Funktion erfüllt auch das von der AfD turnusmäßig geleistete Lob der Braunkohle als Energieträger der Zukunft. Der wegen seiner Unwirtschaftlichkeit außer Gebrauch kommende Brennstoff ist nicht nur eng mit der Erinnerung an den DDR-Alltag verbunden, er gilt aufgrund seiner hohen Schadstoffemission und schlechter Energiewerte unter Klimaschutzgegnern als ultimative Provokation für das ökologische Bewusstsein und damit als ein weiterer Schlag gegen die Grünen. Schon diese Eigenschaft als symbolische Negation der Energiewende machte Braunkohle, zusammen mit der ebenfalls gelobten Atomkraft und russischem Gas, schließlich zu einem Fixpunkt der AfD-Energiepolitik.[18] Letztlich sind dies Trotzreaktionen vergleichbar mit dem Phänomen der Coal Roller in den USA. Diese Autofahrer manipulieren ihre Motoren so, dass eine ungefilterte schwarze Abgaswolke ausgestoßen wird, preisen dies als individuellen Freiheitsbeweis gegen die angeblich staatlich oktroyierten ökologischen Zwänge und präsentieren der Welt damit ein beachtliches Vernunftdefizit. Die Frage, wie sinnvoll oder nur realistisch diese Braunkohle-Forderungen sind, wird gar nicht erst gestellt.
Vom Trotz über die Wut zum Volkswillen
Immerhin berufen sich führende AfD-Politikerinnen wie Alice Weidel und Beatrix von Storch ausgerechnet auf Maggie Thatcher, die Mitte der 1980er Jahre der britischen Kohleindustrie brachial den Garaus gemacht hat. Die Vorstellung, dass eine Partei, die sich dem rigorosen Wirtschaftsliberalismus Thatchers verschrieben hat, ausgerechnet einen veralteten und subventionsabhängigen Industriezweig wie den ostdeutschen Kohlebergbau reaktiviert, ist schon abstrus. Und nicht nur das, Thatcher war mit ihrer kategorischen TINA-Politik („There is no alternative“) auch die Schöpferin der „Alternativlosigkeit“, die man Angela Merkel so sehr ankreidete. Ein ähnliches Szenario bietet sich in der Frage von Grundbesitz in der ehemaligen DDR. Beatrix von Storch hat ihre politische Karriere mit einer von einem Adelsnetzwerk getragenen Kampagne zur Revision der Bodenreform in der SBZ von 1945/46 begonnen. Ihre Partei kämpft heute im Bundestag ebenfalls für Rückgabe oder Entschädigung der ehemaligen Grundbesitzerfamilien, was kaum im Sinne so mancher ostdeutscher Landwirte und Datschenbesitzer sein dürfte.[19] Vor allem die realen sozial- und wirtschaftspolitischen Positionen der AfD stehen ihrem Image als Anwalt der „kleinen Leute“ in Ostdeutschland vielfach entgegen. Doch mit Hilfe identitätspolitischer Angebote und dem retrospektiven Phantasma einer harmonischen, souveränen und wohlhabenden DDR soll ein Gegenpol zu den politischen Traditionen geschaffen werden, die als „westlich“ gelten. Ähnlich wie die geschichtspolitische Agitation den Charakter des Nationalsozialismus verschiebt, ordnet sie so auch die DDR rückblickend anders ein. Aus der autoritären Kontrollgesellschaft des Staatssozialismus wird eine anheimelnde, identitätsstiftende Gemeinschaft, in der Recht und Ordnung herrschten.
In diesem Tenor klagte AfD-Chef Tino Chrupalla 2020 im Bundestag, nach der Wende sei die dort noch verbreitete „Hilfebereitschaft“ und „Mitmenschlichkeit“ verloren gegangen.[20] Das Lamento unterschlägt sowohl die materiellen Zwänge, die diesen Zusammenhalt herbeigeführt haben, als auch die repressiven Schattenseiten eines engen Sozialgefüges. Tatsächlich sollen die mit dieser Rhetorik aufgerufenen nostalgischen Affekte jedoch in erster Linie die politische Entfremdung vom „Westen“ fördern.
Die so aufgebaute Identität hält selbst noch für das faktische Scheitern des Realsozialismus eine plausible Erklärung parat, indem sie die Schattenseiten der DDR – Kommandowirtschaft, kontrollierte und militarisierte Normalität – einer Minderheit ferngesteuerter Kommunisten überantwortet. Das alltägliche Arrangement der meisten Menschen mit diesen Verhältnissen wird hingegen nicht thematisiert. Am Ende nimmt sich die DDR-Gesellschaft als eine intakte Welt aus, die ohne die Zumutungen der globalisierten Moderne und insbesondere ohne Fremde ausgekommen sei. (Da die „Vertragsarbeiter“ aus den „Bruderstaaten“ meistens kaserniert untergebracht und weniger sichtbar waren, sind sie aus dieser verklärenden Erinnerung verschwunden.) Dem Glück im Weg gestanden hätten lediglich kommunistische Parteikader mit einer falschen ökonomischen Ordnung, besser als die ‚politisch korrekte‘ Gegenwart sei es allemal gewesen.
Das gelobte Land der alten Werte: Ein Deutschland ohne ’68
Mitunter stößt daher sogar die ebenfalls verbreitete Gleichsetzung dieser Gegenwart mit der DDR auf Widerspruch, nicht weil sie der Bundesrepublik, sondern weil sie der DDR Unrecht täte. In diesem Sinne erhob sich im Kommentarbereich der AfD-nahen Wochenzeitung „Junge Freiheit“ Protest, nachdem in einem Bericht über „30 Jahre Mauerfall“ diverse Parallelen zwischen der bundesdeutschen Gegenwart und dem SED-System behauptet worden waren. Schließlich, so argumentiert eine erboste Leserin, habe die DDR „noch preußische Werte gelebt, wie Ehrlichkeit, Pünktlichkeit, Disziplin, Sauberkeit, Höflichkeit, Anstand“.[21] Vor allem seit der Coronakrise und dem russischen Überfall auf die Ukraine erscheint die DDR als das bessere Deutschland unter russischer Schirmherrschaft, deren Bürgern zwar die Freiheit, aber nicht die nationale Identität genommen worden sei. Die Parallelen zu den Mustern der antiwestlichen Agitation in Putins Russland sind augenfällig.
In diesem Tenor hat Jürgen Elsässer für die Zeitschrift „Compact“ dem untergegangenen Staat zum 70. Gründungstag 2019 eine wahre Lobeshymne verfasst. Gleichwohl er dem Kommunismus längst abgeschworen habe, komme er nicht umhin, der DDR „eine Träne nach[zu]weinen“. Trotz Unterdrückung sei dort vieles besser gewesen, weshalb bei ihm seit längerem eine aus „Patriotismus“ gespeiste „Ostalgie“ erwacht sei. Familienpolitik, Heimatliebe, Ausländerpolitik, in allem habe der Osten den richtigen Weg beschritten. Mit Grauen erinnert er sich hingegen an seine Zeit im Westen: „Ich war 14 Jahre lang Lehrer in Baden-Württemberg. In den 1980er Jahren hatte ich viele Kinder von DDR-Übersiedlern – es waren immer die Besten der Klasse. Rechtschreibung, Rechnen, Sport, Disziplin, Höflichkeit – alles hat gestimmt.“ Elsässer vergisst zwar zu erwähnen, dass der Kommunistische Bund, dem er einst angehörte, ideologisch nicht auf Ostberlin fixiert war, aber in seinem Lob der „roten Preußen“, wie er Wolfgang Venohr bemüht, manifestiert sich die maximale Abkehr von „’68“.[22] Eine ähnliche Interpretation des Arbeiter-und-Bauern-Staates bietet auch Heino Bosselmann. Der ehemalige Angehörige der DDR-Grenztruppen schreibt seit Jahren als Autor mit ausgeprägter Ostidentität für die „Junge Freiheit“ und „Sezession“. 2014 hat er als Teil der „letzten Generation Kalaschnikow“ einen wehmütigen Rückblick auf seine Schulzeit in der DDR geworfen. Das damalige Ethos fasst er mit „Leistung bringen, sich anstrengen, die Eltern stolz machen“ zusammen.[23] Die Deutung der DDR als Motivationsparadies ist zwar originell, doch die Allgemeingültigkeit der Aussagen ist mehr als fraglich. Letztlich wirkt es wie eine kriseninduzierte Reaktivierung des damaligen offiziellen Leitbildes; Angehörige oppositioneller Jugendkulturen erinnern eine völlig andere Realität, fernab des propagierten sozialistischen Leistungsideals.[24] In einem späteren Rückblick hat Bosselmann mit gesteigerter Wehmut sogar eine Parallele zwischen der DDR und den amerikanischen Südstaaten gezogen, die ihm zudem ein interessantes Vorbild in lokalem Eigensinn bieten. Auch diese hätten „nach dem verlorenen Sezessionskrieg tragisch erkennen müssen, daß der starke industrialisierte Norden überlegen war – damals ja bereits dank Kapitalismus und Liberalismus. Immerhin pflegte der unterlegene Süden trotzig seine Legende vom ‚Grand Old South‘, und so ähnlich verharrten wir etwas verstockt und regionalromantisch bei manch entscheidender Prägung.“
Preußische Tugenden statt westlicher Dekadenz
Er selbst, schreibt Bosselmann, habe nach der Wende erleben müssen, dass seine Heimat von einem Land übernommen worden sei, das sich selbst bereits in Dekadenz und Wohlstand verloren habe. Für Bosselmann offenbaren sich in der heutigen Rückschau die kolonisierenden westlichen Sieger „absolut west-links, während die untergegangene DDR in sich selbst eher preußisch-konservativ verfaßt geblieben war – ein seltsamer Stagnationsraum letztlich tragischen Engagements, plötzlich der Zugluft des ‚Wind of change‘ preis[ge]geben“.[25] Ostberliner Politiker wären vor 1989 sicher erstaunt gewesen, welche positiven Gefühle ihr Staat nachträglich bei Leuten auslöst, die sich nach eigenen Angaben zuvor nie mit ihm identifiziert haben. Angesichts von Marx’ Schrift „Der nordamerikanische Bürgerkrieg“ und des Engagements deutscher Revolutionäre aufseiten der Nordstaaten wäre ihnen ein positiver Bezug auf die Sklavenhaltergesellschaft des Südens kaum in den Sinn gekommen.[26] Mit Blick auf die bis heute bestehenden illiberalen Traditionen des US-amerikanischen Südens ist Bosselmanns Vergleich aber durchaus nachvollziehbar.
Die auf den ersten Blick ungewöhnliche Interpretation Bosselmanns einer preußisch-konservativen Verfasstheit der DDR fußt jedoch tatsächlich auf zwei Spezifika ihrer Geschichte. Zum einen spricht daraus die in den 70er Jahren eingeleitete Revision des Preußen-Bildes der DDR. Der hegemoniale Staat des Deutschen Reiches war zuvor in ihrer Geschichtsschreibung maßgeblich auf den Militarismus reduziert worden.[27] Damit begann eine stärkere Integration der Nationalgeschichte in den Sozialismus, die sich 1983 im doppelt begangenen Marx- und Luther-Jahr ausdrückte. Zum anderen war das Jahr 1968 dort durch eine staatsoffizielle Kampagne gegen westliche Einflüsse und vor allem durch die Niederschlagung des Prager Frühlings geprägt, weshalb der Konflikt mit der Kriegsgeneration, verglichen mit den westlichen Ländern, andere Formen ausbildete.[28] Dieser Unterschied in den gesellschaftlichen Liberalisierungsprozessen der 1960er Jahre ist für die Agitation des rechten Randes unmittelbar anschlussfähig. Seit Jahrzehnten diente dort die APO-Bewegung als zentrales Feindbild, noch der unbändige Hass auf die Grünen heute erklärt sich daraus, dass die Partei als Fortsetzung von „’68“ gesehen wird. Daher begrüßt man heute frenetisch das weitgehende Ausbleiben der Jugendrevolte in der ostdeutschen Gesellschaft als Differenz zum Westen. Da mit dem weniger stürmisch verlaufenen Generationenkonflikt in der DDR-Tradition auch die Aufarbeitung der deutschen Vergangenheit die Gesellschaft jenseits der Staats- und Parteidoktrin weniger prägen konnte, gilt das Modernisierungsdefizit als geschichtspolitischer Vorteil, denn gerade die Entwicklung eines kritischen Geschichtsbewusstseins wird als ein Hauptfaktor für den nationalen Identitätsverlust in der Bundesrepublik beurteilt.
Im Osten, heißt es, sei diese historische Reflexion weit weniger von der Bevölkerung verinnerlicht worden als im Westen und konnte sich aus diesem Grund weniger verheerend auf das Nationalbewusstsein auswirken. Selbst die im Ostblock doktrinäre Interpretation des Nationalsozialismus als reine Klassenherrschaft erweise sich nun als nützlich, wie auch Elsässer schreibt, denn diese „strenge Unterscheidung zwischen Nazi-Führung und Volk“ habe es ermöglicht, dem Land „den Schuldkult zu ersparen“ und „den Alp der zwölf Jahre abzuschütteln“.[29] Nachdem die dünne Schicht der kommunistischen Gedenkpraxis einmal beseitigt war, so der Gedanke, konnte der darunter verdeckte Stolz auf die deutsche Geschichte schnell wieder zum Vorschein kommen.
Programmatisch versucht die AfD daher, ihre starke Basis in den ostdeutschen Bundesländern für eine Revision des Geschichtsbildes zu nutzen. Wenn sie schon die Niederlage von 1945 nicht rückgängig machen kann, will sie zumindest den Charakter der DDR als das Deutschland produktiv machen, das von „’68“ vergleichsweise verschont geblieben war.
In diesem Sinne hat Björn Höcke bereits 2017 in Dresden, zu Beginn seines politischen Aufstiegs am rechten Rand der AfD, das Ziel einer „erinnerungspolitische[n] Wende um 180 Grad“ ausgerufen. Dabei fehlte auch der Hinweis auf den Identitätsverlust durch eine angeblich fremdgesteuerte Selbstkritik nicht. Mit Verweis auf das Berliner Holocaust-Mahnmal attestierte er den Deutschen den „Gemütszustand eines total besiegten Volkes“ und sprach vom „induzierten Irrsinn“ seiner Gegner.[30]
Der »geistige Bürgerkrieg« des Götz Kubitschek
Kubitscheks „geistiger Bürgerkrieg“ um die Geschichte ist also längst ein politisches Großprojekt mit dem Ziel, endlich alle Arbeitsergebnisse einer Aufarbeitung der Vergangenheit abzustoßen. In dieser szenetypischen Lesart war die Vergangenheitsbewältigung lediglich ein Produkt äußerer Einflüsse, denen die bundesdeutsche Jugend durch die Westbindung ausgesetzt wurde. Dieses geostrategische Projekt der Nachkriegszeit sei, so führt es auch Antaios-Autor Thorsten Hinz in der Zeitschrift „Cato“ aus, von den perfiden westlichen Siegern geistig mit einem Schuldkomplex unterfüttert worden. Hauptwerkzeug dafür sei die Installation von „Kapitulationswissenschaften“ an den deutschen Universitäten gewesen, wie Hinz im Jargon der extrem rechten Publizistik schreibt, allen voran die Sozialwissenschaften mit der von den Remigranten Adorno und Horkheimer getragenen Kritischen Theorie. Deren späterer Statthalter Jürgen Habermas habe sich nach der Wende im Stil eines geistigen Kolonisators angeschickt, den Ostdeutschen nun diese „westliche“ Lesart der Geschichte aufzudrängen.
Anders als in der DDR, meint Hinz, habe aber die BRD-Intelligenz niemals ein Bewusstsein für die eigene Fremdsteuerung entwickelt, dabei sei die Emanzipation des Westens durch kritisches Bewusstsein in Wahrheit nur Umerziehung im US-amerikanischen Interesse gewesen. Im Gegensatz zu den US-amerikanischen Einflüssen seien die sowjetischen jedoch stets als äußerliche begriffen worden und ließen sich daher umso schneller abstreifen. Angesichts des nationalen Identitätsverlusts nach 1945 kann er daher in den Nachfolgestaaten des Deutschen Reiches nur materiell mehr oder weniger gut ausgestattete Spiegelbilder im Identitätsverlust entdecken: „Sozial befriedet und entpolitisiert, ließ es sich bequem ignorieren, daß die DDR-Diktatur die östliche Kehrseite dessen war, was Habermas als westliche Freiheitserfahrung pries. In der DDR war es sowohl für Anhänger als auch für Gegner der SED selbstverständlich gewesen und wurde stets mitbedacht, daß der Staat ein Protektorat der Sowjetunion war. Genauso fand das angeblich unverstellte Rendezvous mit dem Weltgeist, die ‚vorbehaltlose Aneignung von aufklärerischen Traditionen auf ganzer Breite‘, die die Habermas-Generation behauptete, im Rahmen eines auswärtigen politischen Kalküls statt.“[31] Dazu lässt sich anmerken, dass erste Impulse der deutschen Nachkriegsgeneration zur Geschichtsbewältigung tatsächlich von Reeducation-Maßnahmen, Stipendien und dem Ausbau der Sozialwissenschaften profitierten. Aber die Argumentation unterschlägt dabei, dass sich die Kritische Theorie auch an US-amerikanischen Universitäten entfalten konnte und selbst von einer ausgesprochenen Reserve gegenüber der amerikanischen Alltagskultur getragen war und die von ihr inspirierte Neue Linke und die Friedensbewegung der Bundesrepublik selbst nicht frei vom Antiamerikanismus waren.
Dieses gegen den US-Einfluss gerichtete Geschichtsbild ist Konsens innerhalb der Alten und Neuen Rechten. Seit Jahrzehnten geistern durch den vom Westen oktroyierten Liberalismus „verweichlichte“ und aufgrund eines „Schuldkults“ identitätslos gewordene Deutsche durch die rechte Zeitdiagnostik.[32] Wesentliche Teile von Hinz’ Argumentation waren, wenn auch weniger elaboriert, schon in Neonazi-Kreisen verbreitet. Über ein Jahrzehnt zuvor hatte Steffen Hupka, in den 90er Jahren Landesvorstand und Bundestagskandidat der NPD Sachsen-Anhalt, während einer kurzen Haftstrafe ähnliche Gedanken über die Einflüsse des „dekadenten“ Westens notiert: „Das wahre Problem liegt aber ganz woanders: Unser Volk – wir alle – wurden seit 1945 umerzogen. In Mitteldeutschland funktionierte dies mit der Peitsche (Stasi u. a.) allerdings nur oberflächlich. In der BRD ging das mit Brot und Spielen schon viel besser. In Westdeutschland wurde die Seele vergiftet und jedes Gemeinschaftsgefühl zerstört. In der DDR geschah dies nicht in dieser Form, weshalb es dort sicher die ‚besseren Deutschen‘, d.h. besseren Menschen gab, die seelisch nicht so sehr vergiftet waren. [...] Dekadenz und Materialismus haben die Menschen seelisch, geistig und körperlich krank gemacht! Nur dadurch finden Schuldgefühle, Angst und Feigheit einen Nährboden.“[33]
Diese Passage führt vor Augen, dass selbst Neonazis sich rückblickend auf den Osten klammheimlich vom lang gepflegten antikommunistischen Schreckensbild entfernt hatten und das ehemalige Feindterritorium plötzlich als Sehnsuchtsort ausmachten. Nach dem Verschwinden der Sowjetunion soll in der Rückschau der übrig gebliebene US-geführte Westen auf einmal das größere Problem gewesen sein. Das dezidiert dagegen geforderte Politikmodell analysierte die Soziologin Carolin Amlinger bereits anhand der Querdenker-Proteste als das Konzept einer „alternativen Souveränisierung“, das auf der Ablehnung von parlamentarischer Kontrolle, Repräsentation und anderen Delegationsprinzipen der modernen „westlichen“ Gesellschaft beruht.[34] Damit bietet sich eine unmittelbare Anschlussfähigkeit für rechte Modelle einer plebiszitären Mehrheitsdiktatur – als der angestrebten wahren „Herrschaft des Volkes“.
Der Text basiert auf dem jüngsten Buch des Autors, „Das Deutsche Demokratische Reich“, das soeben bei Klett-Cotta erschienen ist.
[1] Michael Wildt, Volk, Volksgemeinschaft, AfD, Hamburg 2017, S. 104.
[2] Götz Kubitschek, LEGIDA, 21. Januar – Rede in Leipzig, sezession.de, 2015.
[3] Steffen Mau, Ungleich vereint, Berlin 2024, S. 81.
[4] Ebd., S. 72.
[5] Vgl. Marcel Thomas, Jenseits der Nostalgie, zeithistorische-forschungen.de, 2021.
[6] Steffen Mau, a.a.O., S. 71.
[7] Ebd., S. 81.
[8] Joachim Hentze, Lenins Enkel und der Artikel 5. Das Erbe der DDR-Bewußtseinsindustrie, in: „Criticón“, 121/1990, S. 229-232.
[9] Steffen Mau, Oststolz und Osttrotz, Die Fallstricke der ostdeutschen Identität, in: „Blätter“, 7/2024, S. 93-102.
[10] Konstantin von Hammerstein, Warum ehemalige Bürgerrechtler jetzt mit den Rechten sympathisieren, spiegel.de, 2018.
[11] Tobias Frank, … damit zusammenwächst, was zusammengehört, Hamburg 2022.
[12] Jan Weyand, Aspekte einer kritischen Theorie rechten Verschwörungsdenkens, in: Leo Roepert, Kritische Theorie der extremen Rechten. Analysen im Anschluss an Adorno, Horkheimer und Co., Berlin 2023, S. 171 f .
[13] Ebd., S. 181.
[14] Vgl. Marius Rudolph, So kommt die hohe Schulabbrecherquote im Osten zustande, mdr.de, 2024, sowie Bundesministerium für Bildung und Forschung (Hg.), Nationaler Bildungsbericht 2024 und Berufsausbildungsbericht 2023.
[15] Steffen Mau, a.a.O., S. 89.
[16] Vgl. Maria Fiedler, Erneut zweitstärkste Kraft, tagesspiegel.de, 2021.
[17] Justin Monday, Die Souveränität der identitären Internationalen. Zur Kritischen Theorie der ‚Neuen Rechten‘, in: Leo Roepert, a.a.O., S. 53-95.
[18] Vgl. AfD-Landesverband Sachsen, Regierungsprogramm Sachsen, afdsachsen.de, sowie Alternative für Deutschland, Programm für Deutschland, afd.de, 2023.
[19] Deutscher Bundestag, Drucksache 19/27 201, Antrag der Abgeordneten Jürgen Braun, Waldemar Herdt, Tino Chrupalla u.a. (Fraktion der AfD), Rehabilitierung der Opfer der sogenannten Bodenreform 1945 bis 1949 in der Sowjetischen Besatzungszone, Berlin 2021.
[20] Christina Morina, Tausend Aufbrüche, München 2023, S. 278.
[21] Kommentar der Nutzerin Kersti Wolnow, jungefreiheit.de/politik/deutschland/2020/auf-dem-weg-zur-ddr-2-0, 6.9.2020.
[22] Jürgen Elsässer, 70 Jahre DDR, in: „Compact“, 10/2019, 2019, S. 3.
[23] Heino Bosselmann, Letzte deutsche Generation Kalaschnikow, jungefreiheit.de, 2014.
[24] Vgl. die ganz anderen Darstellungen aus den Erinnerungen devianter Jugendkulturen: Connie Mareth und Ray Schneider, Haare auf Krawall: Jugendsubkultur in Leipzig 1980-1991, Backroad Diaries 2022.
[25] Heino Bosselmann, Erneut mein Land: West-östliches Woher und Wohin, sezession.de, 2024.
[26] Karl Marx, Der nordamerikanische Bürgerkrieg, Berlin 1972, S. 329-338.
[27] Vgl. Martina Bilke, Zeitgenossen der „Fackel“, Wien und München 1981.
[28] Vgl. Philipp Gassert und Elisabeth Piller, East Germany: „Solidarity with Red Prague”, in: Philipp Gassert and Martin Klimke (Hg.), 1968: Memories and Legacies of a Global Revolt, Washington 2009.
[29] Jürgen Elsässer, a.a.O., S. 3.
[30] Vgl. Die Dokumentation der Rede im „Tagesspiegel“, Höcke-Rede im Wortlaut „Gemütszustand eines total besiegten Volkes“, tagesspiegel.de, 2017.
[31] Thorsten Hintz, Kein Ort – nirgends, in: „Cato“, 4/2024, S. 24-27, hier: S. 26.
[32] Vgl. Volker Weiß, „Lasst uns Krieg führen!“ Die Kampagne der extremen Rechten gegen die kritische Auseinandersetzung mit der NS-Vergangenheit, in: Jens-Christian Wagner und Sybille Steinbacher, Rechter Geschichtsrevisionismus in Deutschland. Formen, Felder, Ideologie, Göttingen 2025, S. 71-90.
[33] Steffen Hupka, Neue Wege, Ideen zu einem anderen Kampf, Hohenthurm/Eigendruck 2012, S. 13.
[34] Carolin Amlinger, Epistemischer Widerstand. Verschwörungstheorien und politischer Konflikt in der Corona-Pandemie, in: „ZfK - Zeitschrift für Kulturwissenschaften“, 1/2023, S. 79.