Ausgabe Juni 2007

Die Dialektik von Welt und Nation

Zur Transformation von Territorium, Autorität und Recht

Wir leben in einer Zeit epochaler Transformationen – epochal selbst dort, wo es lediglich um Teiltransformationen geht. Manche sprechen von „Globalisierung“, um diesen Wandel auf den Begriff zu bringen. Sie betrachten ihn als einen Wettkampf national vs. global. Andere konzentrieren sich auf den „Antiterrorkrieg“ und den „Ausnahmezustand“, der Regierungen, wie sie hervorheben, zum legalen Missbrauch ihrer Befugnisse ermächtigt. Es gibt noch eine Reihe weiterer Versuche, das Wesen der großen Transformation adäquat zu benennen und zu deuten. Diese Hinweise dürften jedoch genügen, um deutlich zu machen, dass die Kommentierung der grundlegenden Veränderungen unserer Tage sich großenteils um ein und dieselbe Annahme dreht: Der Nationalstaat ist in Bedrängnis, mindestens aber droht die Erosion des Schutzes, den er auf seinem Territorium bisher gewährleisten konnte.

Meine These ist demgegenüber, dass keine dieser Betrachtungsweisen den grundlegenden Wandel vollständig erfasst. Ein ganz entscheidender, aber weitgehend übersehener Zug unserer Zeit besteht in der Vervielfachung globaler Assemblagen1, wie ich sie nennen möchte, die sich – in einem breiten Spektrum, partiell und oft hochgradig spezialisiert – sozusagen aus Teilstücken von Territorium, Autorität bzw.

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