Ausgabe Februar 2008

Akademikersteuer statt Studiengebühren

Lange Zeit war das Studium in der Bundesrepublik gebührenfrei, manchenorts ist es das noch immer. Für Krippen und Kindergärten werden dagegen weithin noch immer Beiträge kassiert. Die Reaktion der Politik besteht bekanntlich nicht in der überfälligen Kostenbefreiung von Kitas, sondern in der Durchsetzung von Studiengebühren. Mit Ausnahme Thüringens werden sie inzwischen in sämtlichen Bundesländern ohne sozialdemokratische Regierungsbeteiligung verlangt. Zwei Drittel der Studenten in Deutschland sind davon betroffen. Bisher bezahle die Krankenschwester mit ihren Steuern für das Studium des Chefarztsohnes, die Verkäuferin für die Ausbildung des späteren Ministerialrates – so die gängige Begründung. Diese Ungerechtigkeit werde durch Studiengebühren zumindest gemindert. Zugleich soll den von der öffentlichen Sparwut ausgemergelten Universitäten damit zumindest etwas Linderung zuteil werden.

Erreicht wird damit genau das Gegenteil des angeblich Gewollten. Mit dem Argument, soziale Ungerechtigkeit abzumildern, werden gerade junge Menschen aus ärmeren Schichten vom Studium abgeschreckt. Und deren Anteil an den Studenten hat sich seit 1982 fast halbiert, auf inzwischen nur noch 13 Prozent. Das ist eine in der westlichen Welt wohl einmalige Skandalziffer. Zwischenzeitliche Fortschritte haben sich wieder verflüchtigt. So hatte sich die Schere zwischen der Zahl der Abiturienten und der der Studienanfänger gegen Ende der 90er Jahre geschlossen.

Sie haben etwa 14% des Textes gelesen. Um die verbleibenden 86% zu lesen, haben Sie die folgenden Möglichkeiten:

Artikel kaufen (1€)
Digitalausgabe kaufen (10€)
Anmelden

Aktuelle Ausgabe September 2025

In der September-Ausgabe plädiert Lea Ypi für eine Migrationsdebatte im Sinne der Aufklärungsphilosophie. Cinzia Sciuto fordert, der zunehmenden Aushöhlung des Völkerrechts mit einer entschiedenen Verteidigung desselben zu begegnen – und nicht mit Resignation und falschem Realismus. Für Georg Diez markieren die Kriegsverbrechen in Gaza und die fehlenden Reaktionen darauf einen Epochenbruch; sie stünden für nicht weniger als den Verrat des Westens an der Humanität. Herfried Münkler analysiert, wie Kriege historisch endeten und Friedenszeiten begannen und was das mit Blick auf den Ukrainekrieg bedeutet. Simone Schlindwein deckt auf, wie Russland junge Afrikanerinnen mit falschen Versprechen für die Kriegswirtschaft rekrutiert. Warum die grüne Digitalisierung ein Mythos ist und was der KI-Boom den Globalen Süden kostet, erläutern Ingo Dachwitz und Sven Hilbig. Und Eva-Maria Klinkisch sowie Markus Rieger-Ladich zeigen auf, wie Long Covid-Betroffene von der Gesellschaft und dem Gesundheitssystem systematisch ignoriert werden – und was dagegen zu tun ist. 

Zur Ausgabe Probeabo

Weitere Artikel zum Thema Wissenschaft

Indoktrination und Militarismus

von Irina Rastorgujewa

Am Morgen des 24. März hängten unbekannte Aktivisten eine Schaufensterpuppe, die die antike römische Göttin Minerva darstellt, am Denkmal des Grafen Uwarow in der Nähe des Hauptgebäudes der Staatlichen Universität St. Petersburg auf. In der Hand der antiken Schutzherrin der Wissenschaften befand sich ein Zettel mit der Aufschrift „Die Wissenschaft ist tot“.

Scharfsinn und Bescheidenheit

von Oliver Eberl

Wer mit Ingeborg Maus sprechen wollte, wurde von ihr meist auf den Abend verwiesen: Bevorzugt nach 20 Uhr ließ sich die Professorin für „Politologie mit dem Schwerpunkt politische Theorie und Ideengeschichte“ an der Frankfurter Goethe-Universität anrufen und klärte dann geduldig und stets zugewandt organisatorische und akademische Fragen, oftmals bis weit in die Nacht. Natürlich musste man erst einmal durchkommen, denn es waren viele, die etwas mit ihr besprechen wollten.

Mannigfaltigkeit statt Homogenität

von Leander Scholz

Auch wenn Begriffe wie Biodiversität oder diversity management erst im letzten Drittel des 20. Jahrhunderts geprägt wurden und seitdem den politischen Diskurs zur biologischen und sozialen Diversität bis in unsere Gegenwart hinein dominieren, verweist deren Vorgeschichte weit zurück bis ins 18. Jahrhundert – und sie ist unmittelbar mit einem revolutionären Ereignis verbunden.

Adorno und die Utopie der Nicht-Identität

von Seyla Benhabib

Beginnen möchte ich mit der Begegnung zweier berühmter Intellektueller, deren Leben sich für eine kurze Zeit in Frankfurt kreuzten und die dann beide ins Exil in die Vereinigten Staaten gingen: Ich meine Theodor W. Adorno und Hannah Arendt. Es gibt mehr Ähnlichkeiten zwischen ihnen, als man auf den ersten Blick meinen möchte.