Ausgabe November 2008

Antisemitische Erblast

Vom Nationalsozialismus zum Nahost-Konflikt

Vor 70 Jahren trat, mit den Pogromen vom 9. November 1938, die nationalsozialistische Politik gegenüber den Juden in ihre eliminatorische Phase. Knapp zehn Jahre später wurde der Staat Israel gegründet, möglicherweise eine (nicht-intendierte) Folge des verbrecherischen Nazi-Regimes; etwa so, wie es Fritz Stern in seinen Erinnerungen formuliert hat: „Ohne Hitlers Deutschland und seinen Griff nach der Weltmacht wäre Deutschland nicht geteilt und Israel nicht geschaffen worden.“ 1 Lässt man sich auf die politischen Implikationen einer solchen – gewiss kon-trovers zu diskutierenden – Argumentation ein, dann erweitert sich die Reflexion über deutsche histori-sche Verantwortung auch auf den Nahost-Konflikt.

Im arabischen und islamischen Kulturkreis ist allemal die Einschätzung verbreitet, letztendlich seien die Palästinenser Folgeopfer des europäischen Antisemitismus und speziell des NS-Rassenwahns ge-worden. Dabei kommen freilich Dreiecksverbindungen zwi-schen dem nationalsozialistischen Deutschland, Juden und Arabern zu kurz, welche die arabische Seite in einem deutlich weniger günstigen Licht erscheinen lassen und nicht nur ihre aktuelle, sondern auch ihre historische Mitverantwortung für den Konflikt unterstreichen. Zu thematisieren ist zum einen die Nähe der arabischen Welt zum nationalsozialistischen Deutschland und zum anderen der von Europa beeinflusste arabische bzw. islamische Antisemitismus.

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In der Oktober-Ausgabe wertet Seyla Benhabib das ungehemmte Agieren der israelischen Regierung in Gaza als Ausdruck einer neuen Ära der Straflosigkeit. Eva Illouz ergründet, warum ein Teil der progressiven Linken auf das Hamas-Massaker mit Gleichgültigkeit reagiert hat. Wolfgang Kraushaar analysiert, wie sich Gaza in eine derart mörderische Sackgasse verwandeln konnte und die Israelsolidarität hierzulande vielerorts ihren Kompass verloren hat. Anna Jikhareva erklärt, warum die Mehrheit der Ukrainer trotz dreieinhalb Jahren Vollinvasion nicht zur Kapitulation bereit ist. Jan Eijking fordert im 80. Jubiläumsjahr der Vereinten Nationen mutige Reformen zu deren Stärkung – gegen den drohenden Bedeutungsverlust. Bernd Greiner spürt den Ursprüngen des Trumpismus nach und warnt vor dessen Fortbestehen, auch ohne Trump. Andreas Fisahn sieht in den USA einen „Vampirkapitalismus“ heraufziehen. Und Johannes Geck zeigt, wie rechte und islamistische Rapper Menschenverachtung konsumierbar machen.

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