Ausgabe September 2008

Ein Herz fürs Kapital

Es ist schlecht bestellt ums unternehmerische Image. Nicht einmal ein Drittel der Bevölkerung glaubt dem marktwirtschaftlichen Dogma, dass unternehmerischer Erfolg allgemeinen Nutzen stiftet. Und über 70 Prozent nehmen Anstoß daran, dass selbst gut verdienende Unternehmen und Konzerne Arbeitsplätze abbauen. Die verbreitete Unternehmer-Verdrossenheit hat Gründe, die auf realen Erfahrungen beruhen. Zur Betroffenheit und Sorge gesellt sich Empörung über die Schamlosigkeit des Abgreifens, sei es bei Managergehältern und Abfindungen, sei es in Gestalt ungezügelter Ausplünderung übernommener Unternehmen.

Kein Wunder, dass auch die Kirche auf den Plan tritt. Ethische Maßstäbe zu entwickeln, liegt in der Konsequenz des von ihr in Anspruch genommenen Wächteramts. Doch zur Verblüffung des Lesers gilt die kirchliche Sorge in der jüngst erschienenen EKD-Denkschrift „Unternehmerisches Handeln in evangelischer Perspektive„ nicht etwa den Ursachen der Vertrauenskrise, sondern vorrangig den durch „Skandalisierung und Erregung„ (S. 87) und „wiederkehrende Vorurteile„ (S. 29) herabgesetzten Unternehmern. 1 Sind damit vorrangig die Medien verantwortlich gemacht, ist das Feld für das beliebte Entlastungsschema individuellen Versagens bereitet. Wer die Probleme mit Bischof Huber auf die „ethischen problematischen Verhaltensweisen Einzelner„ (S.

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Aktuelle Ausgabe September 2025

In der September-Ausgabe plädiert Lea Ypi für eine Migrationsdebatte im Sinne der Aufklärungsphilosophie. Cinzia Sciuto fordert, der zunehmenden Aushöhlung des Völkerrechts mit einer entschiedenen Verteidigung desselben zu begegnen – und nicht mit Resignation und falschem Realismus. Für Georg Diez markieren die Kriegsverbrechen in Gaza und die fehlenden Reaktionen darauf einen Epochenbruch; sie stünden für nicht weniger als den Verrat des Westens an der Humanität. Herfried Münkler analysiert, wie Kriege historisch endeten und Friedenszeiten begannen und was das mit Blick auf den Ukrainekrieg bedeutet. Simone Schlindwein deckt auf, wie Russland junge Afrikanerinnen mit falschen Versprechen für die Kriegswirtschaft rekrutiert. Warum die grüne Digitalisierung ein Mythos ist und was der KI-Boom den Globalen Süden kostet, erläutern Ingo Dachwitz und Sven Hilbig. Und Eva-Maria Klinkisch sowie Markus Rieger-Ladich zeigen auf, wie Long Covid-Betroffene von der Gesellschaft und dem Gesundheitssystem systematisch ignoriert werden – und was dagegen zu tun ist. 

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