Ausgabe August 2009

Die Partei der Kasernen: Der Aufstieg der Wächterarmee

Die spontanen Massendemonstrationen gegen Amtsinhaber Mahmud Ahmadinedschad und für seinen Herausforderer Mir Hussein Mussawi nach den offenbar manipulierten Präsidentschaftswahlen vom 12. Juni d. J. wurden inzwischen auf brutale Weise niedergeschlagen. Zahlreiche Menschen kamen dabei zu Tode, unzählige befinden sich noch immer in Haft.

Manipulation und Gewalt kamen jedoch keineswegs über Nacht. Schon vor dem umstrittenen Wahlausgang kritisierten Reformer und gemäßigte Konservative die offene Parteinahme für die Rechtskonservativen und deren prominenteste Person, den amtierenden Staatspräsidenten Mahmud Ahmadinedschad, durch „manche Institutionen und Kräfte“. Gemeint war damit vor allem die mächtige „Wächterarmee der islamischen Revolution“ – hierzulande auch als „Revolutionsgarden“ oder „Revolutionswächter“ bekannt. Sie erlebte in den letzten Jahren einen beispiellosen Aufstieg und wurde zu einer der wichtigsten Institutionen des Landes. Im Vorfeld der Wahl setzten die Wächterarmee und die mit ihr verbundene Volksmiliz (basidsch) nicht nur ihre landesweiten Mobilisierungs- und Einflussmöglichkeiten ein, sondern drohten zwei Tage vor dem Urnengang offen mit einem Staatsstreich für den Fall, dass Mussawi gewinnen sollte.

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In der Oktober-Ausgabe wertet Seyla Benhabib das ungehemmte Agieren der israelischen Regierung in Gaza als Ausdruck einer neuen Ära der Straflosigkeit. Eva Illouz ergründet, warum ein Teil der progressiven Linken auf das Hamas-Massaker mit Gleichgültigkeit reagiert hat. Wolfgang Kraushaar analysiert, wie sich Gaza in eine derart mörderische Sackgasse verwandeln konnte und die Israelsolidarität hierzulande vielerorts ihren Kompass verloren hat. Anna Jikhareva erklärt, warum die Mehrheit der Ukrainer trotz dreieinhalb Jahren Vollinvasion nicht zur Kapitulation bereit ist. Jan Eijking fordert im 80. Jubiläumsjahr der Vereinten Nationen mutige Reformen zu deren Stärkung – gegen den drohenden Bedeutungsverlust. Bernd Greiner spürt den Ursprüngen des Trumpismus nach und warnt vor dessen Fortbestehen, auch ohne Trump. Andreas Fisahn sieht in den USA einen „Vampirkapitalismus“ heraufziehen. Und Johannes Geck zeigt, wie rechte und islamistische Rapper Menschenverachtung konsumierbar machen.

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