Ausgabe April 2012

Der China-Bluff

Es war an einem klaren, kalten Nachmittag vor exakt 40 Jahren, als ich hinter Präsident Richard Nixon auf die Rollbahn des Pekinger Hauptstadtflughafens hinabstieg. Heute ist dazu wohl ein verspätetes Geständnis fällig: Als ich nämlich an Bord der Air Force One auf dem Flug nach Peking ein wenig eingenickt war, riss ein Alptraum mich aus dem Schlaf. Ich hatte geträumt, Generalissimus Tschiang Kai-schek würde dort am Flughafen stehen, gemeinsam mit seinem alten politischen Gegenspieler und heimlichen Brieffreund Tschu En-lai. Und in diesem Traum trat Tschiang vor, um seinen früheren Freund und Patron Richard lauthals mit einem sarkastischen „long time, no see!“ zu begrüßen. Als wir dann zu dem schäbigen alten Bau fuhren, in dem sich damals der einzige Terminal des Pekinger Flughafens befand, starrte ich ängstlich durchs Fenster. Andere waren freudig erregt, als Premier Tschu tatsächlich persönlich auftauchte, um uns zu begrüßen. Mir hingegen fiel bloß ein Stein vom Herzen, weil Tschu alleine kam.

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Aktuelle Ausgabe Oktober 2025

In der Oktober-Ausgabe wertet Seyla Benhabib das ungehemmte Agieren der israelischen Regierung in Gaza als Ausdruck einer neuen Ära der Straflosigkeit. Eva Illouz ergründet, warum ein Teil der progressiven Linken auf das Hamas-Massaker mit Gleichgültigkeit reagiert hat. Wolfgang Kraushaar analysiert, wie sich Gaza in eine derart mörderische Sackgasse verwandeln konnte und die Israelsolidarität hierzulande vielerorts ihren Kompass verloren hat. Anna Jikhareva erklärt, warum die Mehrheit der Ukrainer trotz dreieinhalb Jahren Vollinvasion nicht zur Kapitulation bereit ist. Jan Eijking fordert im 80. Jubiläumsjahr der Vereinten Nationen mutige Reformen zu deren Stärkung – gegen den drohenden Bedeutungsverlust. Bernd Greiner spürt den Ursprüngen des Trumpismus nach und warnt vor dessen Fortbestehen, auch ohne Trump. Andreas Fisahn sieht in den USA einen „Vampirkapitalismus“ heraufziehen. Und Johannes Geck zeigt, wie rechte und islamistische Rapper Menschenverachtung konsumierbar machen.

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