Ausgabe April 2012

Strahlende Zukunft

Japan und seine Atomindustrie

Der Dreifach-GAU von Fukushima war die Folge eines systemischen Versagens von Politik, Wirtschaft und Wissenschaft: Erst wurden untolerierbare Gefahren für Gesellschaft und Individuum geschaffen, dann ignorierte man die Folgen der Atomkraft, manipulierte ihre Bewertung und unterdrückte systematisch Kritik. Der GAU in Japan ist damit exemplarisch für das Zusammenspiel staatlicher und ökonomischer Machtträger in der Energiefrage. Die atomare Stromerzeugung ist auch – und in besonderem Maße – in Japan durch die Verbindung von macht- und industriepolitischen Interessen konservativer Teile der politischen Klasse mit den Interessen einer regionalmonopolistisch organisierten Stromwirtschaft entstanden.[1]

Diese Verbindung und mithin die Bedeutsamkeit der Kernenergie entwickelten sich in Abhängigkeit voneinander: Atomare Stromerzeugung war die materielle Voraussetzung dafür, dass sowohl die Unternehmen als auch der private Konsum im Japan der 1980er Jahre expandieren konnten. Die Kernkraft wurde zum energetischen Anker jener Wachstums- und Konsumideologie, die die japanische Gesellschaft zutiefst verinnerlicht hat.

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In der September-Ausgabe plädiert Lea Ypi für eine Migrationsdebatte im Sinne der Aufklärungsphilosophie. Cinzia Sciuto fordert, der zunehmenden Aushöhlung des Völkerrechts mit einer entschiedenen Verteidigung desselben zu begegnen – und nicht mit Resignation und falschem Realismus. Für Georg Diez markieren die Kriegsverbrechen in Gaza und die fehlenden Reaktionen darauf einen Epochenbruch; sie stünden für nicht weniger als den Verrat des Westens an der Humanität. Herfried Münkler analysiert, wie Kriege historisch endeten und Friedenszeiten begannen und was das mit Blick auf den Ukrainekrieg bedeutet. Simone Schlindwein deckt auf, wie Russland junge Afrikanerinnen mit falschen Versprechen für die Kriegswirtschaft rekrutiert. Warum die grüne Digitalisierung ein Mythos ist und was der KI-Boom den Globalen Süden kostet, erläutern Ingo Dachwitz und Sven Hilbig. Und Eva-Maria Klinkisch sowie Markus Rieger-Ladich zeigen auf, wie Long Covid-Betroffene von der Gesellschaft und dem Gesundheitssystem systematisch ignoriert werden – und was dagegen zu tun ist. 

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