Ausgabe November 2012

Lebendige Demokratie: Die Zukunft der EU

Als das Norwegische Nobelkomitee am 12. Oktober der Europäischen Union den diesjährigen Friedensnobelpreis zuerkannte, wünschte es den Blick auf das zu lenken, was es als deren wichtigste Errungenschaft ansieht, nämlich „den erfolgreichen Kampf für Frieden und Versöhnung, für Demokratie und Menschenrechte.“ Gleichzeitig wurde damit deutlich, wie sehr Anspruch und Wirklichkeit der EU derzeit auseinanderklaffen. Nicht zuletzt das jüngste Urteil des Bundesverfassungsgerichts hat noch einmal eindringlich gezeigt, dass es sich bei der Krise der Europäischen Gemeinschaft längst auch um eine Demokratiekrise handelt. Die Antwort darauf, so die Rechtswissenschaftler Claudio Franzius und Ulrich K. Preuß, kann jedoch nicht in einer Rückkehr zu den alten Nationalstaaten liegen, sondern nur in einer Verbindung der beiden Wurzeln der europäischen Demokratie: der kollektivistisch-substanziellen wie der individualistisch-menschenrechtlichen. Nur ein Modell, das zwischen den beiden Polen liegt, wäre seinem Charakter nach die für Europa erforderliche „lebendige Demokratie“ – D. Red.

 

Die Europäische Union ist eine Rechtsgemeinschaft, so hat es der erste Kommissionspräsident Walter Hallstein visionär formuliert.

November 2012

Sie haben etwa 3% des Textes gelesen. Um die verbleibenden 97% zu lesen, haben Sie die folgenden Möglichkeiten:

Artikel kaufen (2.00€)
Digitalausgabe kaufen (9.50€)
Anmelden

Aktuelle Ausgabe September 2025

In der September-Ausgabe plädiert Lea Ypi für eine Migrationsdebatte im Sinne der Aufklärungsphilosophie. Cinzia Sciuto fordert, der zunehmenden Aushöhlung des Völkerrechts mit einer entschiedenen Verteidigung desselben zu begegnen – und nicht mit Resignation und falschem Realismus. Für Georg Diez markieren die Kriegsverbrechen in Gaza und die fehlenden Reaktionen darauf einen Epochenbruch; sie stünden für nicht weniger als den Verrat des Westens an der Humanität. Herfried Münkler analysiert, wie Kriege historisch endeten und Friedenszeiten begannen und was das mit Blick auf den Ukrainekrieg bedeutet. Simone Schlindwein deckt auf, wie Russland junge Afrikanerinnen mit falschen Versprechen für die Kriegswirtschaft rekrutiert. Warum die grüne Digitalisierung ein Mythos ist und was der KI-Boom den Globalen Süden kostet, erläutern Ingo Dachwitz und Sven Hilbig. Und Eva-Maria Klinkisch sowie Markus Rieger-Ladich zeigen auf, wie Long Covid-Betroffene von der Gesellschaft und dem Gesundheitssystem systematisch ignoriert werden – und was dagegen zu tun ist. 

Zur Ausgabe Probeabo

Weitere Artikel zum Thema

Politik vor Recht: Die Aushöhlung der liberalen Demokratie

von Miguel de la Riva

Als der FPÖ-Chefideologe und heutige Parteivorsitzende Herbert Kickl im Januar 2019 in einem ORF-Interview darauf angesprochen wurde, dass seine Asylpläne an die Grenzen von EU-Recht, Menschenrechtskonvention und Rechtsstaat stoßen, antwortete der damalige österreichische Innenminister, „dass das Recht der Politik zu folgen hat und nicht die Politik dem Recht“.

Ernst, aber nicht hoffnungslos

von Thorben Albrecht, Christian Krell

Spätestens seit Ralf Dahrendorfs berühmt gewordener These vom „Ende des sozialdemokratischen Jahrhunderts“ gehören SPD-Niedergangsprognosen zu den Klassikern der parteibezogenen Publizistik. Die Partei hat diese Prognose bisher um 42 Jahre überlebt. Aber das konstituiert keine Ewigkeitsgarantie.