Ausgabe April 2013

Die Explosion der Ungleichheit

Ein Problem von Macht und Herrschaft

Bild: kallejipp / photocase.com

Simon Kuznets, ein Nobelpreisträger der Wirtschaftswissenschaft, hat in umfassenden Untersuchungen den Nachweis geliefert,[1] dass in den ersten Jahrzehnten nach dem Zweiten Weltkrieg die soziale Ungleichheit in den hochentwickelten westlichen Ländern deutlich abgenommen hat, nachdem sie vorher eine lange Zeit ziemlich krasse Formen angenommen hatte. Verantwortlich machte er dafür nicht nur die beispiellose Wohlstandsexplosion, sondern auch die erfolgreiche sozialstaatliche Interventionspolitik. Im Grunde ging Kuznets von der optimistischen Grundannahme aus, dass sich dieser Abmilderungstrend weiter fortsetzen könne.

Diese Prognose hat sich alsbald als Irrtum erwiesen. Denn unterschiedliche Faktoren, insbesondere die neoliberale Wirtschaftspolitik von Präsident Reagan und Premierministerin Thatcher samt ihrer Beraterstäbe, haben eine neuartige Verschärfung der Einkommens- und Vermögensungleichheit in den Nationalstaaten und zwischen ihnen herbeigeführt. Nach einem sachten Anfang hat sich seit den 1980er Jahren eine massive Polarisierung durchgesetzt, die paradigmatisch von den USA und Großbritannien angeführt wurde. Seither ist dieser Veränderungsprozess von einer lebhaften Debatte der Ökonomen über das Ausmaß und die Ursachen der wachsenden Ungleichheit begleitet worden.

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