Ausgabe Dezember 2013

Familie ist kein Stillleben

Vom Oikos zur Kleinfamilie zur Homo-Ehe

Stillleben kennt man von Glückwunschkarten, wie sie zu Geburt und Hochzeit gern versandt werden: prächtig komponierte Bilder mit Blumen, Obst und Südfrüchten, wunderschön gemalt, fast echter noch als echt – doch auf Leinwand gebannt und damit tot, auch wenn sie ewige Lebendigkeit suggerieren. Ein Pessimist, der den Titel dieses Vortrags liest, mag daher denken: Das tote Stillleben ist doch wirklich ein Sinnbild der Familie von heute.

Warum? Weil die alten Lebensformen, die klassisch-bürgerliche Ehe und die klassisch-bürgerliche Familie, ja tatsächlich tot oder am Absterben sind. Vielleicht ist es im Fall der Familie weniger der Zivilisationsprozess als vielmehr der Wirtschaftsprozess, der aus dem lebenden Körper das Leben nimmt. Familie und Markt sind nun einmal zwei nicht kongruente Systeme: Die Familie verlangt Stabilität, der Markt verlangt Flexibilität. Die Familie begleitet die natürliche Langsamkeit von Wachstum, der Markt dagegen fordert die ständige Beschleunigung des Wachstums. Die Familie lebt von und mit verlässlichen Regeln, der Markt dagegen verlangt möglichst wenig Regeln, er verlangt Deregulierung. Familie ist ein altruistisches System, die Wirtschaft ein egoistisches. Der Ökonomisierungsprozess läuft, wird er nicht gebändigt, darauf hinaus, der lebendigen Familie die Lebendigkeit zu nehmen.

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