Ausgabe April 2014

Ein Herz für Hoeneß

Resozialisierung ist in einem Rechtsstaat ein hohes Gut, bedeutet sie doch für jeden Straftäter das Recht, nach dem Strafvollzug wieder ein Leben in Würde und ohne Ächtung zu führen. Bloß in Bayern hielt man es lange lieber mit der Vergeltung, dem Prinzip von Schuld und Sühne – jedenfalls dann, wenn es sich um den „Bodensatz“ der Gesellschaft handelte. Doch im Fall Hoeneß soll das Prinzip der Abschreckung offenbar nicht gelten. Im Gegenteil: Heuer konnte man den ersten Fall einer juristischen Wunderheilung erleben.

Eben noch hatte ein ganzes Land atemlos verfolgt, wie sich die von Hoeneß hinterzogene Steuerschuld erst von 3,5 auf eingestandene 18,5 Millionen Euro erhöhte, um dann im Stundentakt bis auf 28,5 Millionen zu klettern. Das Ergebnis war ein durchaus mildes Urteil von dreieinhalb Jahren. Denn laut einer Grundsatzentscheidung des BGH sind bei Steuerhinterziehungen von über einer (sic!) Million Euro grundsätzlich Haftstrafen ohne Bewährung fällig – in einem besonders schweren Fall wie diesem von bis zu zehn Jahren. – Doch kaum hatte der Bayernboss auf eine Revision verzichtet, schon um keine höhere Haftstrafe zu riskieren, kannte die Begeisterung kein Halten mehr.

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