Mit diesem Anruf dürfte selbst ein Weltbestseller-Autor wie Thomas Piketty nicht gerechnet haben: Tatsächlich griff Bill Gates nach Lektüre des „Kapitals im 21. Jahrhundert“ umgehend zum Telefon, um dem Franzosen mitzuteilen, dass er in vielen Punkten mit ihm einer Meinung sei, auch bei der Forderung nach stärkerer Besteuerung der Vermögenden. Auf zwei abweichende Meinungen wollte der Microsoft-Chef dann aber doch nicht verzichten: Zum Einen halte er die Lage in den USA für nicht so schlimm. Nun ja, wer allein die Entwicklung seit Beginn der Finanzkrise mit ihren millionenfachen Kredit-Verlierern vor Augen hat, mag an dieser Einschätzung seine Zweifel haben.
Zum Anderen plädierte Gates für eine Differenzierung der Vermögenden und für deren unterschiedliche Behandlung. Wer das Meiste für milliardärsüblichen Konsum ausgibt – Villen, Yachten, Flugzeuge und dergleichen –, der soll dafür ordentlich und durchaus progressiv besteuert werden. Geschont werden müssten dagegen all jene, die ihr Kapital in ihre Firma investieren oder den Großteil ihres Gelds für wohltätige Zwecke spenden. „Nachtigall, ick hör dir trapsen“: Offenbar will sich der Milliarden-Stifter Gates hier bereits mit dem kommenden EU-Finanzkommissar Piketty gutstellen.
Und damit ist er keineswegs allein.