
Bild: Pressekonferenz mit der designierten Kanzlerkandidatin von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Annalena Baerbock, und Robert Habeck, 19. April 2021 (IMAGO / Christian Thiel)
Dass die Grünen sich derzeit anschicken, Angela Merkel im Kanzleramt zu beerben, ist offensichtlich. Dass sich die Erbschleicherei allerdings auch auf Merkels neo-pathetisches Amtsverständnis bezieht, wurde bisher oft übersehen. „Ich will Deutschland dienen“, mit diesen großen Worten begründete Merkel 2005 ihre erste Kanzlerkandidatur – ganz bewusst platziert gegen das narzisstisch-stillose „Ich will da rein“ ihres Vorgängers. „Da rein“ wäre auch Robert Habeck gerne gekommen. Doch dem stand bekanntlich Annalena Baerbock entgegen.
Nun aber will es der grüne Großphilosoph wenigstens in pathetischer Hinsicht mit der Kanzlerin aufnehmen. Der Tag von Baerbocks Nominierung sei für ihn „der schmerzhafteste in meiner politischen Laufbahn“ gewesen, ließ der verhinderte Spitzenkandidat das Land wissen. Denn, so Habeck: „Nichts wollte ich mehr, als dieser Republik als Kanzler zu dienen“. Welch selbstlos-übermenschlicher Patriotismus just aus den Reihen jener Partei, die noch vor dreißig Jahren im Einheits-Wahlkampf verkündet hatte, „Alle reden von Deutschland. Wir reden vom Wetter“, und daraufhin prompt die Fünfprozenthürde verfehlte.
Doch wer geglaubt hatte, das Habecksche Pathos sei nicht mehr zu überbieten, sah sich alsbald eines „Besseren“ belehrt. Der geistigen Heroenstadt Tübingen sollte ein neuer Luther erscheinen und in die leibliche Hülle des Oberbürgermeisters fahren.