
Bild: Die tunesische Flagge bei einer Demonstration gegen Präsident Kais Saied in Tunis, 10.12.2022 (IMAGO / ZUMA Wire / Hasan Mrad)
Ein Video von Präsident Kais Saied sorgte im vergangenen Monat in Tunesien für Gesprächsstoff: Das Staatsoberhaupt besucht abends ein Café in einem einfachen Wohnviertel am Rande der Altstadt von Tunis. „Wir werden Euch mit allem versorgen, was Ihr benötigt“, sagt Saied zu den anwesenden jungen Männern, „Ihr müsst nur Hoffnung haben.“ „Wir haben keine Hoffnung“, schallt es aus dem Off zurück.
Sein Diskurs an diesem kalten Januarabend 2023 klingt ähnlich wie im Wahlkampf, als der parteilose Outsider im Herbst 2019 mit seinen Anhängern durchs Land gezogen war und den zumeist jungen Leuten in den Cafés erklärt hatte, wie er das politische System reformieren wolle, auf politische Parteien und die Korruption schimpfte. Mehr Teilhabe für die Marginalisierten, mehr politisches Gewicht für das verarmte Landesinnere versprach er damals. Er werde dafür sorgen, dass die echten Ziele der Revolution von 2010/11, deren Funken später auch auf andere arabische Länder übersprangen, endlich umgesetzt würden.
Doch inzwischen ist der pensionierte Juradozent nicht mehr der Außenseiter, der der politischen Klasse den Spiegel vorhält, sondern seit mehr als drei Jahren Präsident. Rund anderthalb davon regiert er seit seiner Machtnahme am 25. Juli 2021 quasi alleine.