Ausgabe Januar 1994

Gewalt in der Gesellschaftswelt

Die Rolle des Militärischen in der Außenpolitik der neuen Bundesrepublik

I

Der Vermutung, wir sähen einer Renaissance der militärischen Gewalt als einem Mittel der Außenpolitik auch der Bundesrepublik entgegen, möchte ich die These entgegenhalten, daß unter den Bedingungen der Gesellschaftswelt, wie wir sie im OECD-Bereich vor uns haben, militärische Gewalt nur noch als residuale Verteidigungsvorsorge wirken kann und als Mittel der Politik dysfunktional geworden ist. Es gibt viele, traditionsreiche und höchst ehrenwerte Gründe, die gegen den Einsatz der militärischen Gewalt sprechen. Sie entstammen der Religion, der Philosophie, der Ethik und der Moral, der politischen Überzeugung. Im Einklang mit diesen Absichten, aber gänzlich abweichend von deren Begründungen, möchte ich hier die These entwickeln, daß die Anwendung organisierter militärischer Gewalt unter den Bedingungen der Gesellschaftswelt zweckrational nicht mehr begründet werden kann, weil sie die ihr zugewiesenen Ziele nicht erreicht.

Ich möchte diese dem Pragmatismus und dem Utilitarismus verpflichtete These vierfach differenzieren:

1. Militärische Gewalt konnte immer und kann heute nur Verteidigung bewirken, aber nicht Sicherheit heraufführen. Diese besteht erst dann, wenn jegliche externe Bedrohung auf Dauer und verläßlich eliminiert worden ist.

2. Militärische Gewalt kann eine Aggression abwehren und/oder erfolgreich abschrecken.

Sie haben etwa 5% des Textes gelesen. Um die verbleibenden 95% zu lesen, haben Sie die folgenden Möglichkeiten:

Artikel kaufen (1€)
Digitalausgabe kaufen (10€)
Anmelden

Aktuelle Ausgabe Januar 2026

In der Januar-Ausgabe skizziert der Journalist David Brooks, wie die so dringend nötige Massenbewegung gegen den Trumpismus entstehen könnte. Der Politikwissenschaftler Philipp Lepenies erörtert, ob die Demokratie in den USA in ihrem 250. Jubiläumsjahr noch gesichert ist – und wie sie in Deutschland geschützt werden kann. Der Politikwissenschaftler Sven Altenburger beleuchtet die aktuelle Debatte um die Wehrpflicht – und deren bürgerlich-demokratische Grundlagen. Der Sinologe Lucas Brang analysiert Pekings neue Friedensdiplomatie und erörtert, welche Antwort Europa darauf finden sollte. Die Journalistinnen Susanne Götze und Annika Joeres erläutern, warum die Abhängigkeit von Öl und Gas Europas Sicherheit gefährdet und wie wir ihr entkommen. Der Medienwissenschaftler Roberto Simanowski erklärt, wie wir im Umgang mit Künstlicher Intelligenz unsere Fähigkeit zum kritischen Denken bewahren können. Und die Soziologin Judith Kohlenberger plädiert für eine »Politik der Empathie« – als ein Schlüssel zur Bekämpfung autoritärer, illiberaler Tendenzen in unserer Gesellschaft.

Zur Ausgabe Probeabo

Weitere Artikel zum Thema

Die neue Merz-Doktrin?

von Jürgen Trittin

Jahrzehntelang durfte in keiner Grundsatzrede eines deutschen Politikers in Regierungsverantwortung der Satz fehlen: „Wir setzen auf die Stärke des Rechts statt auf das Recht des Stärkeren.“ Doch das war einmal. Bundeskanzler Merz‘ lautstarkes Räsonieren über den Krieg Israels gegen den Iran markiert den Bruch mit dieser Tradition.

Eigennutz statt Solidarität

von Klaus Seitz

Etwa eine Milliarde Euro weniger als im vergangenen Jahr steht dem Bundesentwicklungsministerium 2025 zur Verfügung. Doch nicht nur der Spardruck macht der Entwicklungszusammenarbeit zu schaffen, auch die strategische Neuausrichtung gefährdet ihre Zukunftsfähigkeit.

Besser als ihr Ruf: Die europäische Afrikapolitik

von Roger Peltzer

Schon unter Angela Merkel hat der afrikanische Kontinent in der deutschen Bundesregierung große politische Aufmerksamkeit erfahren. Die Ampelregierung setzt diesen Kurs fort: Seit seinem Amtsantritt reiste Bundeskanzler Olaf Scholz jedes Jahr nach Afrika.