Vielleicht hat sich Jürgen Schrempp ja mit seinem Vorpreschen in Sachen Lohnfortzahlung um die Republik verdient gemacht. Sicher haben es die 20 000 Daimlerbeschäftigten getan, die am 5. Oktober - ohne einen einzigen Streikposten oder Streikbrecher - den wochenendlichen Sonderschichten einfach fernblieben und ihrem Chef die Gegenrechnung aufmachten: 120 Millionen durch Kürzung der Lohnfortzahlung erhoffte Ersparnis p.a. kosteten Daimler an einem Wochenende 200 Mio. DM Produktionsausfall. Über die Motive der Kontrahenten und die Reichweite ihrer Überlegungen braucht in diesem Zusammenhang nicht spekuliert zu werden: Das statuierte Exempel, die gewollte Kraftprobe und der Ausgang der ersten Runde, haben Fragen bloßgelegt, die über die künftige Verfaßtheit der Bundesrepublik mitentscheiden, gewiß folgenschwerer als die (Nicht-) Entscheidungen jener Gemeinsamen Kommission von Bund und Ländern zur Verfassungsreform "nach der Einheit".
Der Vorstoß ins Spannungsfeld zwischen Gesetz und Vertrag, zwischen Parlament und Regierung (die man in Deutschland gern exekutivlastig unter "der Staat" subsumiert) sowie der bürgerlichen Gesellschaft, den mehr oder weniger organisierten Individuen auf der anderen Seite, hat nicht nur in Erinnerung gerufen, daß Zündeln Feuer zur Folge haben kann.