Die Fundamentalisten in Iran haben es in den vergangenen 20 Jahren geschafft, nahezu alle staatlichen Institutionen zu durchsetzen. Ihr Einfluß reicht über Armee und Polizei nebst den Schlägertrupps der Ansar-e Hisbollah (Anhänger der Partei Gottes), Geheimdienste, Justiz und Medien bis weit in die Privatsphäre der meisten Iraner. Und dennoch erlitten die religiösen Dogmatiker bei den Präsidentschaftswahlen im Mai 1997 eine herbe politische Niederlage. Obwohl die Fundamentalisten alles in Bewegung setzten, um ihrem Frontmann Nateg Nuri durchzubringen, siegte mit breiter Mehrheit Mohammad Chatami. Ihn, der als vergleichsweise moderat und weltoffen gilt, unterstützten vor allem Frauen, junge Menschen und Intellektuelle. Seit dem Sieg Chatamis beherrscht der Machtkampf zwischen den radikalen Islamisten und gemäßigten Kräften die politische Szenerie des Landes. Mit Chatami, dem ersten frei gewählten Präsidenten der Islamischen Republik Iran, begann eine neue Ära. Das Wahlresultat machte deutlich, daß die Menschen trotz langjähriger Demütigungen und Bevormundungen seitens einer zeitfremden Führung imstande sind, ihrem Unmut Luft zu machen. Chatami übernahm mit seinem Versprechen, eine andere Politik zu verfolgen und eine freiere Gesellschaft zu schaffen, allerdings keine allzu leichte Aufgabe.
In der November-Ausgabe ergründen Carolin Amlinger und Oliver Nachtwey die Anziehungskraft des demokratischen Faschismus. Frank Biess legt die historischen Vorläufer von Trumps autoritärer Wende offen – ebenso wie die Lebenslügen der Bundesrepublik. Daniel Ziblatt zieht Lehren aus der Weimarer Republik für den Umgang mit den Autokraten von heute. Annette Dittert zeigt, wie Elon Musk und Nigel Farage die britische Demokratie aus den Angeln zu heben versuchen. Olga Bubich analysiert, wie Putin mit einer manipulierten Version der russischen Geschichte seinen Krieg in der Ukraine legitimiert. Ute Scheub plädiert für die Umverteilung von Wohlstand – gegen die Diktatur der Superreichen. Sonja Peteranderl erörtert, inwiefern sich Femizide und Gewalt gegen Frauen mit KI bekämpfen lassen. Und Benjamin von Brackel und Toralf Staud fragen, ob sich der Klimakollaps durch das Erreichen positiver Kipppunkte verhindern lässt.