Zur rückwirkenden Strafbarkeitsbegründung durch Gerichte
Zur rückwirkenden Strafbarkeitsbegründung durch Gerichte
Von Gerald Grünwald
Dieser Beitrag, verfaßt zu Ehren von Prof. Dr. Giorgios Alexandros Mangakis, erscheint zugleich in einer diesem gewidmeten Festschrift des Athener Verlags Ant. N. Sakkoulas. - Zur jüngsten Entscheidung des Bundesgerichtshofs in Sachen Egon Krenz, Günther Kleiber und Günter Schabowski vom 8. November vgl. den Kommentar von Heinrich Senfft in diesem Heft. Im Zusammenhang der gerichtlichen "Aufarbeitung" des DDR-Grenzregimes sei auch an Helmut Ridders Kommentar zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts in Sachen Albrecht, Keßler und Streletz in den "Blättern" 1/1997 ("Dr. Mabuse lebt") erinnert. - D. Red.
Zu den rechtsstaatlichen Grundsätzen, die in der Verfassungsordnung der Bundesrepublik Deutschland uneingeschränkt gesichert schienen, zählt das Gesetzlichkeitsprinzip des Art. 103 Abs. 2 Grundgesetz: Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.
Die nach der deutschen Vereinigung mit der strafrechtlichen Aufarbeitung der Vergangenheit befaßte Rechtsprechung hat uns die Erfahrung beschert, daß der Schutz, den diese Verfassungsnorm dem Rechtsunterworfenen vor dem Zugriff der Staatsgewalt gewähren soll, dann unwirksam wird, wenn die Gerichte das Interesse an der Strafverfolgung als unabweisbar bewerten.